Worte der Gnade

Lukas 4,22

Worte der Gnade

Eine weitere Einzelheit, die nur einmal erwähnt wird, finden wir in Lukas 4,22: «Alle gaben ihm Zeugnis und verwunderten sich über die Worte der Gnade, die aus seinem Mund hervorgingen; und sie sprachen: Ist dieser nicht der Sohn Josephs?»

Nachdem der Herr Jesus im Anschluss an die Taufe durch Johannes von Gott selbst als sein geliebter Sohn bezeugt wurde – also gewissermassen Gottes öffentliche Anerkennung fand –, führte Ihn der Heilige Geist in die Wüste. Dort erfuhr Er zu Beginn seines Dienstes die erste grosse Prüfung. Er wurde sowohl durch schwierige äussere Bedingungen als auch durch den Teufel versucht. Doch Er ging aus allem siegreich hervor.

Das erste, was uns danach im Lukas-Evangelium berichtet wird, sind seine Besuche in verschiedenen Synagogen von Galiläa. In Nazareth las Er aus dem Propheten Jesaja vor. Dieser Prophet spricht an vielen Stellen in einmaliger Weise vom Retter für Israel. So auch in Kapitel 61, wo die Salbung des Herrn durch den Geist betont wird. Diese Salbung hat zum Ziel, dem Volk Rettung und Befreiung zu predigen.

Hatte das Volk so etwas verdient? Lebten die Menschen nicht in völligem Unglauben? Haben sie ihren Retter nicht von Anfang an abgelehnt? Doch! Umso erstaunlicher ist es, dass der Herr Jesus ihnen nun dieses Wort der Errettung ankündigt, nicht aber die Gerichte über das Volk oder die Rache an ihren Feinden, die direkt im Anschluss an die von Ihm gelesenen Verse in Jesaja und an manchen anderen Stellen des Propheten zu finden sind. Denn wenn Christus als der Gesalbte eingeführt wird, ist nur von Gnade und Segen für Israel die Rede.

Hier ist es Gnade in seiner herrlichen Person, voll von Heiligem Geist, um die Gnade Gottes, der treu zu seinen Verheissungen steht, auszudrücken und die Müden und Gebeugten aufzurichten. Hier offenbarte sich Segen vor ihren Augen. In reiner und absoluter Gnade stellte sich der Heiland seinem Volk vor.

Er war nicht gekommen, um zu verdammen, sondern um zu retten. Seine Worte sollten die Menschen an das Herz Gottes, des Vaters, führen. Christus ist das wahrhaftige Licht, das jede Ungerechtigkeit verurteilt. Doch Er kam, getrieben durch Liebe, und brachte durch Wort und Tat göttliche Gnade zu den Menschen.

Wie oft mag in dieser Synagoge das Gesetz vorgelesen worden sein? Nie hatten die Zuhörer jedoch bisher erlebt, dass ihnen eine solche göttliche Güte begegnete. Das war nur möglich, weil Gott selbst unter ihnen war. Über die Lippen des Herrn war in Wahrheit Holdseligkeit ausgegossen worden (Ps 45,3), und das spürten die Zuhörer.

Nur Gott kann in solch unumschränkter Gnade kommen und diese den Sündern anbieten. Sie staunten angesichts dieser Worte der Gnade, fragten sich aber sofort, wie dieser Sohn Josephs solches aussprechen konnte.

Es gibt für den natürlichen Menschen kaum ein grösseres Ärgernis, als wenn ihm in Gnade begegnet wird. Es ist wahr, dass auch dann, als der Herr Jesus später seinen Feinden oder ungläubigen Menschen gegenüber deutliche und scharfe Worte gebrauchte, die Gnade nicht fehlte. Doch gerade zu Beginn seiner öffentlichen Laufbahn äusserte Er sich in einer besonderen und einmaligen Weise in Güte.

Gnade steigt auf die niedrigste Stufe, zu den geringsten Bedürfnissen hinab. Doch der Mensch verachtet sie, weil sie in Demut kommt. Auch wenn er Gott dahinter sieht, kann er diese Demütigung nicht ertragen und zeigt den Hass seines Herzens. Gottes Gnade wird verachtet, seine Souveränität gehasst. Gott verachtete Nazareth nicht, aber der Mensch verachtete Jesus, weil Er aus Nazareth kam. So war es nicht von ungefähr, dass diese einmalige Erwähnung seiner Worte der Gnade gerade an dem Ort geschah, von dem selbst ein treuer Jude wie Nathanael nichts Gutes erwartete.

Ob wir uns immer bewusst sind, welche Worte der Gnade aus dem Mund unseres Retters und Herrn hervorkommen?