Kein Platz für sein Haupt
Eine weitere Einzelheit wird wohl zweimal erwähnt, aber nur bei einer Gelegenheit. In Matthäus 8,20 und Lukas 9,58 sagt der Schöpfer und Erhalter des Universums als abhängiger Mensch: «Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlege.»
Es ist erstaunlich, dass wir diese Begebenheit im Matthäus-Evangelium in Verbindung mit dem Wirken des Herrn in Galiläa in der ersten Zeit seines Dienstes finden. Im Bericht von Lukas lesen wir erst nach der Szene auf dem Berg der Verklärung davon. Im Matthäus-Evangelium will der Geist zeigen, dass, während der Herr ein Herz voller Liebe für die Juden hatte – und dies trotz ihres Unglaubens –, Israel dagegen kein Herz für Ihn hatte.
Er hatte nicht einmal einen Ort, wo Er sein Haupt hätte hinlegen können. Welch eine Situation für den Messias Israels! Er musste jemandem, der Ihm nachfolgen wollte, sagen, dass die Füchse Höhlen haben und die Vögel Nester – also Ruheorte; nicht so jedoch der Sohn des Menschen.
Er war der Verachtete und Verworfene bei den Menschen. Er hatte nirgends einen Platz, wo Er seinen Kopf hätte hinlegen können. Die Erde hatte mehr Raum übrig für Füchse und Vögel als für Ihn, den wir zuvor als den Herrn über Krankheiten und Not sehen.
Was wir hier finden, zeigte sich schon bei seiner Geburt: Man hatte damals keinen Platz für Ihn, so dass Er in eine Krippe gelegt wurde. Jetzt hatte Er nicht einmal einen Platz, wo Er regelmässig seinen Kopf zur Ruhe legen konnte.
Die Schöpfung ist in seiner Hand. Er hat sie gemacht, und Er ist ihr Erhalter. Auch wenn sie voller Unordnung erscheinen mag, das Zepter ist nach wie vor in seiner Hand; es ist Ihm keineswegs entglitten. Inmitten dieser Schöpfung finden wir den Herrn des Universums völlig bescheiden in Bezug auf die Umstände eines Weges, auf dem sich alles gegen Ihn zu richten scheint. Ja, Er verzichtete auf alles, was Ihm zustand. Doch wo wären wir, wenn Er seine Autorität zurückzöge? Aber im Blick auf die Umstände hatten die Füchse ihre Höhlen, und für die Vögel des Himmels wurde besser gesorgt als für Ihn.
Mit Recht ist gesagt worden, dass der Herr Jesus auf dieser Erde nichts besass. Er hatte kein Bett, als Er geboren wurde und in seine Schöpfung eintrat. Er hatte später kein eigenes Haus, denn es scheint, dass Er stets bei anderen wohnte. Er besass kein Kopfkissen, um sein Haupt darauf zu legen. Er hatte kein Geld, sondern «musste» einem Fisch befehlen, das Nötige herbeizubringen. Zuletzt nahm man Ihm sogar seine Kleider weg. So zählte Er zu den Armen des Landes, für die man keine Wertschätzung hatte – die man in einem Massengrab beisetzte, was man auch für Ihn vorgesehen hatte. Was Er «besass», war ein Kreuz, eine Dornenkrone und Nägel, die man durch seine reinen Hände schlug.
Ist das der Herr der Herren, der alles ins Dasein rief und zugleich der Erhalter von allem ist (Heb 1,2.3)? Er ist es! Oberflächlich betrachtet hat es den Anschein, als würde Gott mehr für die Tiere dieser Erde sorgen als für seinen Christus. Doch es lag im Plan Gottes, Christus in allem zu erproben – und in allem hat Er sich als der vollkommene und abhängige Mensch Gottes erwiesen. Mochten Ihn die Menschen verwerfen und Schuld auf sich laden – es war zugleich der Weg Gottes mit seinem Sohn, den Er nicht schonen konnte, wenn Menschen gerettet werden sollten.
Übrigens wird in der oben zitierten Stelle Christus zum ersten Mal im Matthäus-Evangelium und damit im Neuen Testament überhaupt «Sohn des Menschen» genannt. Es ist der Titel, den Er sowohl als der Verworfene als auch als der Verherrlichte annimmt. Hier wird uns eindeutig seine Verwerfung vorgestellt. Selbst sein eigenes Volk wollte Ihn nicht haben. Als verworfener König aber abhängiger Mensch rächt Er sich nicht, sondern dient Gott weiterhin in Treue und den Menschen in demütiger Gnade.
Welch eine Einsamkeit und welche Einzigartigkeit!