d) Gleichnisse vom Fruchtbringen und vom Dienst (2)
Das Gleichnis von den Talenten
«Denn so wie ein Mensch, der ausser Landes reiste, seine eigenen Knechte rief und ihnen seine Habe übergab: Und einem gab er fünf Talente, einem anderen zwei, einem anderen eins, jedem nach seiner eigenen Fähigkeit; und sogleich reiste er ausser Landes.»
Christus, von seinem Volk verworfen, ist nach vollbrachtem Erlösungswerk «ausser Landes» gereist, d.h. aus dieser Welt zu dem Vater hingegangen. Er liess aber seine Knechte in der Welt zurück: seine Jünger und alle die Seinen auf der Erde, die Ihm in der Zeit seiner Abwesenheit nachfolgen. Ihnen übergibt Er seine «Habe» – alle die unendlichen Ergebnisse und Segnungen, die aus seinem Werk am Kreuz hervorgegangen sind. Diese Güter des Heils, die die Gnade uns gebracht hat sollen wir nicht nur für uns selber geniessen, sondern auch für möglichst viele andere Menschen nutzbar machen.
Um seine Knechte zu diesem Dienst auszurüsten, gibt der Herr ihnen Talente, «jedem nach seiner eigenen Fähigkeit», entsprechend der besonderen Aufgabe, für die der Einzelne vorgesehen ist. Im Gleichnis empfängt der eine fünf Talente, ein anderer zwei und der dritte ein Talent.
Welche Grundsätze kennzeichneten nun den Dienst dieser Knechte?
Zwei von ihnen dienen uns zum Vorbild. Obwohl sie nach diesem Evangelium nicht ausdrücklich dazu aufgefordert werden, gehen sie doch sogleich hin, um mit den empfangenen Talenten für ihren Herrn zu handeln. Das erinnert uns daran, dass der Besitz einer geistlichen Gabe dazu verpflichtet, sie auszuüben. – Es waren nicht die Mitknechte, die sie zum Handeln veranlassten, einzig der Gedanke an ihren abwesenden Herrn war ihre Triebfeder. Sie kannten seinen Willen, seinen Charakter, seine Güte und Liebe. Das gab ihnen Vollmacht, Ansporn und Einsicht zum Dienst. Ihre Hingabe kam aus der Erkenntnis ihres Herrn hervor, dem sie völlig vertrauten. Hatte nicht Er selbst, nach seiner Weisheit, ihnen das Mass ihrer Aufgabe zugeteilt?
Als der Herr des Gleichnisses «nach langer Zeit» wiederkam, «um Abrechnung mit ihnen zu halten», da traten diese beiden Knechte herzu, und es zeigte sich, dass der eine fünf und der andere zwei Talente hinzu gewonnen hatte. Aber beiden gab der Herr dasselbe Lob und denselben Lohn; er sagte zu jedem: «Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn.» Beide hatten in gleicher Treue und gleichem Eifer mit dem ihnen Anvertrauten für den Meister gehandelt, und das ist es, was Er belohnt.
Aber auch der dritte Knecht musste jetzt seinem Herrn Rechenschaft ablegen. Ach, er hatte das ihm zu nutzbringender Verwendung geliehene Talent vergraben! Zur Rede gestellt, sagte er: «Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast.»
Ist dieser Knecht nicht auch das Bild eines Menschen von heute, der sich wohl zu den Christen zählt, äusserlich an den Segnungen des Christentums teilnimmt und daher vor dem Herrn verantwortlich ist? Aber er weiss weder für sich selbst noch für andere mit dem Heil in Christus etwas anzufangen. Erst wer sich im Licht Gottes als sündhaft und schuldig erkennt und in seiner Sündennot zum Werk am Kreuz Christi Zuflucht nimmt, hat offene Augen für Ihn. Erst jetzt erkennt er, dass sein Herr kein «harter Mann» ist, der nur fordert, sondern der vollkommene Ausdruck der Gnade und Liebe Gottes, welcher uns in Ihm alles geschenkt hat. In Ihm besitzt der Erlöste nicht nur ewiges Heil, sondern auch alle Hilfsquellen für einen Gott wohlgefälligen Wandel und Dienst. Wer nie zu einer solchen Umkehr gelangt, wird allerdings dem Herrn als dem gerechten Richter begegnen, der keine Gnade mehr üben kann.
Wie ist dieses Gleichnis aber auch eine ernste Mahnung für uns Gläubige, mit dem uns anvertrauten Talent eifrig zu handeln und es nicht in irdischen oder gar weltlichen Interessen zu vergraben!