Die Gleichnisse des Herrn (16)

Lukas 18,1-8

b) Gleichnisse vom Gebet (2)

Die Witwe und der ungerechte Richter

Dieses Gleichnis steht in Verbindung mit Kapitel 17,20-36. Dort redet unser Herr vom Kommen des Reiches Gottes und den Tagen, die diesem Ereignis vorangehen. Für einen kleinen Teil des Volkes, den gläubigen Überrest, werden es Tage grosser Drangsal sein. Wegen ihrer Treue gegenüber Gott und seinem Wort werden sie von der grossen Masse des Volkes, die der gerichtlichen Vernichtung entgegengeht, verfolgt werden. Schwach und scheinbar schutzlos, müssen sie von ihren Widersachern grosses Unrecht erdulden.

Im Blick auf jene unterdrückten Gläubigen erzählte Jesus dieses Gleichnis, zum Ansporn dafür, dass sie allezeit beten und nicht ermatten sollten. Er sagte:

«Es war ein gewisser Richter in einer Stadt, der Gott nicht fürchtete und sich vor keinem Menschen scheute. Es war aber eine Witwe in jener Stadt; und sie kam zu ihm und sprach: Schaffe mir Recht gegen meinen Widersacher. Und eine Zeit lang wollte er nicht; danach aber sprach er bei sich selbst: Wenn ich auch Gott nicht fürchte und mich vor keinem Menschen scheue, will ich doch, weil diese Witwe mir Mühe macht, ihr Recht verschaffen, damit sie nicht unaufhörlich kommt und mich quält.»

Dass jener unterdrückte Überrest mit einer schwachen Witwe verglichen wird, die sich von einem starken Widersacher verfolgt sieht, leuchtet uns ein. Dass aber das Tun dieses ungerechten Richters zum Vergleich mit der Handlungsweise Gottes herangezogen wird, scheint uns auf den ersten Blick seltsam.

Und doch liegt gerade darin die grosse Überzeugungskraft dieses Gleichnisses. Selbst ein solcher Mensch, der gewohnt war, in Ungerechtigkeit zu tun was ihm beliebte und dabei weder auf Gott noch auf Menschen zu hören, sah sich gezwungen, der Witwe Recht zu verschaffen, weil sie «unaufhörlich kam» und ihn mit ihrer Bitte «quälte». Wie viel mehr wird der gerechte Gott und Richter in jenen Tagen «das Recht seiner Auserwählten ausführen, die Tag und Nacht zu ihm schreien!» In ihrer grossen Not und Drangsal mögen sie dann zwar meinen, Gott sei «in Bezug auf sie langsam». Aber sobald das Werk der Buße und der Läuterung ihre Herzen für die Aufnahme ihres Königs zubereitet hat, wird der «Sohn des Menschen» schnell wie ein Blitz kommen, um ihnen Befreiung zu bringen und ihr Recht auszuführen. Wie viele werden es dann sein, die im Glauben, durch anhaltendes Flehen, mitgeholfen haben, diesen herrlichen Ausgang herbeizuführen?

Auch uns Gläubigen der Jetztzeit gilt dieser Aufruf des Herrn Jesus, in unseren Schwierigkeiten, Nöten und Trübsalen allezeit mit dem Ausharren jener Witwe zu beten und nicht zu ermatten. Auch wir sind ja eine Minderheit in dieser Welt, die um Jesu willen oftmals Schmach und Leiden zu erdulden hat. Werfen wir alle unsere Sorge auf Gott, dürfen wir erfahren, dass Er für uns besorgt ist (1. Pet5,7). Sein Friede wird uns erfüllen und Herz und Sinn in Christus Jesus bewahren, wenn wir unsere Anliegen vor Ihm kundwerden lassen (Phil 4,6.7). Aber unsere Bitte ist nicht: «Schaffe uns Recht gegen unsere Widersacher», sondern wir legen Fürbitte ein für alle Menschen, damit sie errettet werden. Auch rufen wir immer wieder zum Herrn: «Komm, Herr Jesu!» Er kommt bald, um uns aus dieser Welt zu erretten, und kurz darauf wird Er mit uns vom Himmel erscheinen, um verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben (2. Thes 1,7.10).