a) Gleichnisse für Sünder (14)
Der Mann ohne Hochzeitskleid
Im Gleichnis vom «König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete», das wir in einem anderen Zusammenhang noch berühren werden, wird von einem Menschen berichtet, «der nicht mit einem Hochzeitskleid bekleidet war.» Konnte man ihm dies vorwerfen, da er doch «einer von der Landstrasse» war, einer von den «Armen und Krüppeln und Lahmen und Blinden», die doch eingeladen worden waren?
Zu jener Zeit war es Sitte, dass der zum Hochzeitsfest Einladende für seine Gäste auch die Festkleider bereitlegte, die seinem Stand, seinem Reichtum und seinem Geschmack entsprachen. Wer so an der Tafel sass, gefiel dem Hausherrn und half mit, etwas von den Herrlichkeiten des Hauses und seines Besitzers zu offenbaren.
So muss auch für jenen Armen von der Landstrasse ein Kleid bereit gewesen sein, das er statt seines armseligen eigenen Gewandes hätte anziehen können. Warum tat er es denn nicht?
Ach, es gibt viele Menschen, die da glauben, im Kleid der eigenen Gerechtigkeit vor Gott hintreten zu können! Sie sind stolz auf ihre eigene Güte und ihre eigenen guten Werke. Ein derartiger religiöser Hochmut, der mit der eigenen Frömmigkeit prahlt, hält diese Menschen davon ab, sich von Gott selbst bekleiden zu lassen.
Welches Kleid, das der eigenen göttlichen Vollkommenheit und der Herrlichkeit seines Hauses entspricht, hält denn Gott für den Sünder bereit? – «Christus Jesus ist uns geworden … von Gott … Gerechtigkeit und Heiligkeit und Erlösung; damit, wie geschrieben steht: ‹Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn›» (1. Kor 1,30.31) – «Den, der Sünde nicht kannte, hat er (Gott) für uns zur Sünde gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit würden in ihm» (2. Kor 5,21) – Gott hat uns «begnadigt – oder «angenehm gemacht» – in dem Geliebten» (Eph 1,6).
Aber wie kann denn der Mensch in den Besitz dieses Kleides gelangen? Der Apostel sagt: «Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet» (Röm 4,5). – Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit (Röm 10,4).
Für den, der sich jetzt im Kleid der eigenen Gerechtigkeit unter die Gläubigen mischt und sich zu denen zählt, die Gott bekleidet hat, um am himmlischen Hochzeitsfest seines Sohnes teilzunehmen, wird es ein schlimmes Erwachen geben: Er wird in die äussere Finsternis hinausgeworfen werden, wo das Weinen und das Zähneknirschen ist. Er wollte seine Sündhaftigkeit nicht anerkennen, hat die Gnade Gottes in Christus von sich gestossen und verachtet. Im Licht Gottes wird er dann – zu spät – erkennen, dass er auf demselben Boden steht wie der grösste Sünder, der dem Evangelium Gottes nicht gehorcht hat.
Wie ernst sind doch diese Gleichnisse, in denen unser Herr die Sünder aufruft, an die ewigen Folgen zu denken, die sie ernten müssen, wenn sie an der Menschenweisheit festhalten statt an Gottes Wort, wenn sie der Habsucht frönen, den Begierden des Fleisches dienen und in Selbstgerechtigkeit vorangehen!