Die Gleichnisse des Herrn (8)

Matthäus 18,1-4

a) Gleichnisse für Sünder (8)

Umkehren und wie ein Kind werden

Einmal traten die Jünger zu Jesu und fragten Ihn: «Wer ist denn der Grösste im Reich der Himmel?»

Der Begriff «Reich» war für sie mit irdischer Grösse und Herrlichkeit verbunden. Aber diesen Charakter wird es erst in der Zukunft haben. Solange der Messias Israels vom Volk verworfen ist, müssen auch seine Jünger die Verwerfung mit Ihm teilen.

Auch waren sie nicht frei vom jüdischen Gedanken, dass es – um diesem Reich anzugehören – genüge, ein Kind Abrahams zu sein, dem die Verheissung gegeben worden war, dass seine Nachkommen das Land besitzen werden.

Dem Herrn Jesus lag es daran, den Jüngern eine deutliche und eindrückliche Antwort zu geben. So rief Er denn ein Kind, das in der Nähe war, herzu, stellte es in ihre Mitte und sagte: «Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen. Darum, wer irgend sich selbst erniedrigen wird wie dieses Kind, der ist der Grösste im Reich der Himmel.»

Klein, scheu und demütig steht das Kind unter den grossen Männern da. Aber der Grösste unter ihnen nimmt es in seine beiden Arme (Mk 9,36). Ihm kann Er seine ganze Liebe und Gnade geben. Mit solchen kann Er sich einsmachen und ihnen die Hände auflegen, «denn solcher ist das Reich der Himmel» (Mt 19,14).

Das Kind hier weiss: Ich bin klein von Gestalt, diese aber sind gross. Ich bin schwach, diese aber sind stark. Ich weiss wenig, diese aber wissen viel. Was sie ihm sagen, nimmt es ohne Vorbehalt auf.

So wie dieses Kind vor den Männern, soll der Mensch vor Gott stehen und Ihn fürchten. Vor Gottes herrlicher Grösse und unendlicher ewiger Kraft, die Er schon in seiner Schöpfung kundgetan hat, ist der Mensch doch so gering und hilflos! Und was ist alles Menschenwissen und alle Menschenweisheit gegenüber der unbegrenzten und vollkommenen Weisheit Gottes, vor dem nichts verborgen ist!

Doch wie bald verliert der Mensch seine Kindesgesinnung! Mit der Entfaltung seiner Gaben und der Entwicklung seiner Geisteskräfte wächst auch der in seinem sündigen Herzen eingepflanzte Hochmut. Er fängt an, sich zu erheben über die Menschen und sogar – über Gott.

Gott hat sich in Christus offenbart. Durch sein Wort will Er dem Menschen seinen sündhaften Zustand kundtun und ihm zeigen, auf welchem Weg er errettet werden kann. Verharrt er in seinem Hochmut, so ist er rettungslos verloren; er bleibt ein Sohn des Ungehorsams und ein Kind des Zorns. Kehrt er aber um, indem er sich vor Gott beugt und sein Wort wie ein Kind voll Vertrauen annimmt, wird ihm in Christus das Heil Gottes geschenkt, und er darf zu den Glückseligen gehören, die in das Reich der Himmel eingehen.

Die Jünger alle – mit Ausnahme des Judas – waren auf diesem Weg in jenes Reich eingegangen, das sich noch nicht in Herrlichkeit offenbart, solange sein König verworfen ist. Aber ist es nun nicht merkwürdig, dass auch diesen Jüngern und uns Gläubigen allen ein Kind als Beispiel der Gesinnung vor die Augen gestellt werden muss? Ach, das Fleisch in uns bleibt verdorben und beschäftigt sich in einem fort mit der eigenen «Grösse». Wie sollten wir es in steter Wachsamkeit im Tod halten! Im Reich der Welt gilt die menschliche Grösse, im Reich der Himmel aber der Grundsatz: «Wer irgend sich selbst erniedrigen wird wie dieses Kind, der ist der Grösste im Reich der Himmel.»