Die Versammlung des lebendigen Gottes (11)

Die Gaben des Herrn für seinen Leib

Die Gaben des Herrn für seinen Leib

Der soeben besprochene, allgemeine Dienst der einzelnen Glieder würde aber nicht genügen. «Zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus» gibt der verherrlichte Herr ausserdem seiner ganzen Versammlung – nicht etwa nur einer bestimmten Kirche oder Gruppe von Gläubigen – besondere Gaben. Sie allein ermöglichen den eigentlichen Dienst des Wortes. Wer vom Herrn und Haupt des Leibes eine solche Gabe empfangen hat, ist ermächtigt und zugleich vor Ihm verantwortlich, treu damit zu dienen.

Diese Gaben sind nicht zu verwechseln mit natürlichen Fähigkeiten, die ein Mensch schon vor seiner Bekehrung besitzen mag. Im Gleichnis von Matthäus 25,14-30 empfing der Knecht die Talente «nach seiner eigenen Fähigkeit». Wir können daraus schliessen, dass der Herr bei der Verleihung von geistlichen Gaben, die vorhandenen natürlichen Fähigkeiten berücksichtigen wird. Aber eine natürliche Begabung allein macht noch keinen Menschen zu einem Diener des Wortes, der vom «Haupt des Leibes» anerkannt ist. Der Herr ist der eigentliche Geber der geistlichen Gaben, aber sie werden durch den Heiligen Geist ausgeteilt (1. Kor 12,11) und können nur unter der Leitung dieses Geistes der Wahrheit und der Liebe nutzbringend ausgeübt werden. Die Gabe ist eine geistliche Kraft, die sich in der Darreichung des Wortes erweist, so dass dieses in den Seelen Segen bewirken kann.

Lasst uns diese Gaben, die durch den Dienst des Wortes der Auferbauung des Leibes dienen, kurz überblicken. Sie werden in Epheser 4,11 der Reihe nach aufgezählt: «Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer.»

Apostel und Propheten

Petrus, Johannes und Paulus waren sowohl Apostel als auch Propheten des Neuen Testaments (Eph 2,20), und ihre apostolischen Schriften sind zugleich auch prophetische Schriften (Röm 16,26).

Das Apostelamt hatte vor allem mit der Regierung innerhalb der Versammlung zu tun und gab ihrem Dienst und ihrem Handeln Autorität. Als Propheten aber offenbarten sie die Gedanken und den Willen Gottes betreffend das grosse Geheimnis der Versammlung wie auch über die zukünftigen Dinge. Propheten waren zum Beispiel auch Markus und Lukas, die, vom Heiligen Geist inspiriert, Gedanken Gottes mitteilten, ohne mit dem Apostelamt betraut zu sein. Nach Apostelgeschichte 1,21-26 musste der Apostel ein Zeuge des Dienstes und der Auferstehung des Herrn Jesus sein (1. Kor 9,1; 15,5-8). Schon aus diesem Grund kann es keine Nachfolger der Apostel geben, wie heute verschiedene Gruppen in der Christenheit behaupten. Auch sonst finden wir im Wort Gottes keinerlei Anhaltspunkte, dass der Herr eine Nachfolge in der Apostelschaft vorgesehen habe.

Die Apostel und Propheten hatten ihre Aufgabe damals zu erfüllen. Durch sie hat der Herr die Grundlage gelegt und den Bau der Versammlung begonnen. Durch sie hat Er die junge Versammlung genährt und gepflegt und ihr «die Lehre der Apostel» gegeben (Apg 2,42).

Durch die Apostel hat Er auch das Wort Gottes vollendet (Kol 1,25), und wir besitzen nun die vollständige «Lehre der Apostel» im Kanon der Heiligen Schrift Wir unterstehen jetzt also der Autorität des abgeschlossenen Wortes Gottes, die an die Stelle der Autorität der Apostel getreten ist.

Evangelisten

Der Evangelist predigt das Evangelium von der Erlösung, von der Gnade eines vollkommenen Heils in Christus. Dadurch befreit er die Seelen von der Macht Satans und führt sie zu Gott; denn der Heilige Geist begleitet das Wort mit seiner Wirksamkeit, so dass es mit Kraft auf Herz und Gewissen der Hörer eindringt.

Die Tätigkeit des Evangelisten ist nicht an einen bestimmten Ort gebunden. Sein Arbeitsfeld ist die Welt (Mk 16,15) und liegt weniger innerhalb der Versammlung Gottes. Doch werden ja die Erretteten dem Leib Christi hinzugefügt. Und wenn der Evangelist diese Tatsache ausser Acht lässt und sich nicht darum kümmert, ob die kleinen Kinder im Glauben auch wirklich auf den gemeinsamen Weg der Kinder Gottes treten, nach den Belehrungen des Wortes, so entspricht sein Dienst in einem wichtigen Punkt nicht den Gedanken Gottes.

Jeder Gläubige ist «ein Brief Christi», und soll als solcher «gekannt und gelesen werden von allen Menschen» (2. Kor 3,2.3). Jeder wird ermahnt, «vor allen Dingen Flehen, Gebete, Fürbitten, Danksagungen zu tun für alle Menschen», damit sie «errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen» (1. Tim 2,1-4). Jeder sollte von Liebe zu den Seelen erfüllt und bereit sein, die Menschen, denen er begegnet, auf Christus hinzuweisen. Das persönliche Zeugnis und die Bemühungen des Einzelnen – z.B. im Verteilen von Evangeliumsschriften – sind von grösster Wichtigkeit zur Ausbreitung der Frohbotschaft von Jesus Christus auf dieser Erde. Die Ewigkeit wird es zeigen …

Wenn der Herr seiner Versammlung Evangelisten gibt – Männer mit einer besonderen geistlichen Gabe zur wirksamen Verkündigung des Wortes Gottes in dieser Welt – so will Er so den Einzelnen dadurch keineswegs seiner persönlichen Verantwortung entbinden.

Hirten und Lehrer

Sind die Seelen durch das Werk des Heiligen Geistes zu der Versammlung Gottes geführt worden, treten sie in den Genuss anderer Dienste. Sie werden jetzt gepflegt, genährt und belehrt, damit sie nicht Unmündige bleiben, die hin und hergeworfen und umhergetrieben werden von jedem Wind der Lehre, die da kommt durch die Betrügerei der Menschen (Eph 4,14). Wie wir gesehen haben, sollen auch sie – «wir alle» – durch ständiges Wachstum «das Mass des vollen Wuchses der Fülle des Christus» erreichen.

Besonders die Dienste der Hirten und Lehrer sind uns darin eine grosse Hilfe.

Die Gabe des «Lehrers» werden wir bei einem Bruder wahrnehmen können, der in besonderer Weise in das Wort Gottes einzudringen vermag und die darin enthaltenen Lehren, wie auch die Zusammenhänge seiner einzelnen Teile deutlich erfasst. Er ist in der Kraft des Geistes auch imstande, diese Lehren und Gedanken Gottes andern in Klarheit mitzuteilen und das Licht der Erkenntnis des Wortes zu verbreiten. Nebenbei gesagt: Wir können noch heute aus den Lehrgaben heimgegangener Brüder grossen Nutzen ziehen durch das Lesen der Bücher und Schriften, die sie uns hinterlassen haben.

Der «Hirte» hat mehr oder weniger ebenfalls die Gabe, zu lehren. Er besitzt darüber hinaus aber auch die Gnade, die Bedürfnisse und den Zustand der einzelnen Gläubigen zu erkennen, denen er dient, und ihnen mit Takt und Weisheit zu begegnen. Er geht auch den Verirrten nach und sucht sie zu der Herde und auf den rechten Pfad zurückzubringen.

Evangelisten, Hirten und Lehrer sind also Diener, die der Herr zur Sammlung und Auferbauung der Gläubigen benützt, Kanäle, durch die der Segen in der Kraft des Heiligen Geistes vom Haupt zu den Gliedern fliesst. Der Herr wird dafür sorgen, dass diese Gaben bis zu seinem Kommen in seiner Versammlung vorhanden sind, da sie ja bis zu jenem Augenblick «heranwachsen» soll.

Göttliche oder menschliche Ordnung

Es mag sein, dass die hier geäusserten Gedanken manchem Leser ganz ungewohnt sind. Seit Jahrhunderten besteht doch in der Christenheit eine ganz andere Ordnung des sogenannten «Gottesdienstes». Nach dieser menschlichen Ordnung ist es vielmehr so, dass ein junger Mann sich selber für den Beruf eines «Seelsorgers» entscheidet. Entsprechend seiner Zugehörigkeit zu einer besonderen Kirche oder Gemeinschaft besucht er theologische Fakultäten oder Prediger-Seminare. Nach bestandenen Examina wird er von seinen Vorgesetzten «ordiniert». In «seiner Kirche» oder «seiner Gemeinde» ist er der von Menschen gewählte und eingesetzte Pfarrer oder Pastor oder Prediger. Die Last des ganzen Dienstes des Wortes und der Seelsorge liegt nun auf ihm, auch wenn ihm vom Herrn vielleicht gar keine geistliche Gabe gegeben worden ist. Meistens darf auch ohne seine Zustimmung in «seiner Gemeinde» niemand am Dienst des Wortes teilnehmen, ein «Laie» schon gar nicht, auch wenn er vom Herrn selbst die Gabe eines Evangelisten, eines Hirten oder eines Lehrers empfangen hätte.

Ob die göttliche oder die menschliche Ordnung gelten soll, darf für einen Gläubigen keine Frage sein. Wie sollten wir an einem menschlichen System des Dienstes festhalten, durch das die Aufrechthaltung der göttlichen Ordnung, die wir in der Heiligen Schrift deutlich aufgezeichnet finden, umgestossen und verunmöglicht wird!