Bei der Zusammenkunft zum Brechen des Brotes stehen – wie wir das letzte Mal gesehen haben – vor den versammelten Gläubigen Symbole, die sie in eindringlicher Weise an die herrlichen Tatsachen der Liebe Gottes zu uns Menschen erinnern: an seine unaussprechliche Gabe in seinem Sohn, an das stellvertretende Opfer Jesu Christi, an die Hingabe seines Lebens, an seinen Tod und seine Auferstehung. Wie könnten diese Dinge die Herzen derer beschäftigen, die die Gegenstände dieser unvergleichlichen Liebe sind, ohne dass jubelnder Lobpreis, herzlicher Dank und ehrfurchtsvolle Anbetung daraus hervorströmten? So ist also die Zusammenkunft zum Brechen des Brotes gleichzeitig
Die Stunde der gemeinsamen Anbetung
Als der Herr das «Abendmahl» einsetzte, «nahm er Brot, dankte, brach und gab es ihnen» (Lk 22,19). Auch Paulus spricht vom «Kelch der Segnung, den wir segnen», oder für den wir danken. Gewiss, die Gläubigen werden aufgefordert, «Gott stets ein Opfer des Lobes» darzubringen (Heb 13,15). Aber am Tisch des Herrn bietet sich ihnen die einzigartige Gelegenheit, dies gemeinsam zu tun. Welch ein Vorgeschmack des Himmels, wo die gemeinsame Anbetung die glückselige Hauptbeschäftigung aller Erlösten sein wird, ihr ewiger Gottesdienst!
Der Begriff «Gottesdienst»
Viele, die am Sonntag zur Kirche gehen, sagen: «Ich gehe zum Gottesdienst.» Sie meinen damit die von Gebeten und Liedern umrahmte Sonntagspredigt. Der ernst gesinnte Prediger wird beim Verkündigen des Wortes Gottes an Gläubige und Unbekehrte sich wohl bemühen, Gott aufs Beste zu dienen, aber sein Dienst ist menschenwärts gerichtet, und die Leute in den Bänken sind gekommen, um zu hören und zu holen.
Das ist an seinem Platz gewiss gut, und auch jeder Dienst, der in Abhängigkeit vom Herrn an den Seinen und an den Menschen überhaupt getan wird (Jak 1,27), ist Ihm wohlgefällig, sagt Er doch: «Wahrlich, ich sage euch, insofern ihr es einem der geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan» (Mt 25,40). In der Stunde der gemeinsamen Anbetung aber dürfen wir vor Gott hintreten und Ihm etwas bringen. Das ist der vornehmste Gottesdienst, den Er von den Seinen erwartet, und dieser Dienst darf in keiner Weise geschmälert werden. Der Vater sucht solche, die Ihn, seine Person, anbeten (Joh 4,23.24). Da geht es einmal nicht um unsere Bedürfnisse, Nöte und Erfahrungen. Diese Dinge dürfen sich nicht in die Anbetung, in die Loblieder und Danksagungen mischen. Nur die Person des Vaters und des Sohnes soll vor den Herzen der Anbeter stehen. Am Tisch des Herrn erinnern wir uns daran, wie Gott sich in der Person des Sohnes und in seinem Erlösungswerk so herrlich und wunderbar offenbart hat; und wahre Anbetung ist die Antwort an das Herz Gottes auf alle diese Dinge und Segnungen.
Wir «müssen in Geist und Wahrheit anbeten» (Joh 4,24)
Nicht jeder Mensch ist ein Anbeter. Der Unbekehrte befindet sich noch in der Stellung eines Sünders (Röm 5,19). Er muss zuvor in das Licht Gottes kommen und Gott seiner Offenbarung in Christus Jesus gemäss als den Heiligen erkennen. Erst wenn er sich in diesem Licht verurteilt und durch den Glauben an Jesus gerechtfertigt worden ist (Gal 2,16), kann er die Gabe des Heiligen Geistes empfangen (Apg 2,38). In diesem Geist der Sohnschaft ruft er nun: «Abba, Vater!» (Röm 8,15) und vermag mit denen, die einen gleich kostbaren Glauben mit ihm empfangen haben, mit Freimütigkeit in das Heiligtum, den eigentlichen Ort der Anbetung, einzutreten (Heb 10,19-22). Der Geist gibt dem Gläubigen die Gewissheit seiner Gotteskindschaft und leitet ihn in die ganze Wahrheit, wie sie uns in der Heiligen Schrift offenbart ist. Der Geist ist der Urheber der Gedanken und Zuneigungen, der Regungen der Liebe, des Lobes und der Anbetung in den Herzen der Gläubigen. Er lenkt sie immer wieder auf die herrlichen und wahren Tatsachen der Liebe des Vaters und des Sohnes hin. So ist also der Heilige Geist die Kraft der christlichen Anbetung, und ohne Ihn vermag niemand, Gott eine Ihm wohlgefällige Anbetung darzubringen.
«Wir beten an und wissen was» (Joh 4,22)
So konnten die Juden sagen, die im Gegensatz zu den Samaritern wenigstens äusserlich dem wahren Gott dienten. Wie viel mehr noch trifft dies auf die Kinder Gottes zu, die nun auf dem Boden des Heils Gottes stehen, «das aus den Juden» gekommen ist! Wahre christliche Anbetung setzt Verständnis der Dinge Gottes und seines Heils voraus, wie sie in Christus Jesus offenbart sind.
Im Alten Bund bestand der Gottesdienst des Volkes hauptsächlich in der Befolgung der zeremoniellen Vorschriften des Gesetzes. Die Israeliten vermochten von der vorbildlichen Bedeutung der Dinge, die sie bedienten, nur wenig zu erfassen. Wir aber kennen nun Jesus, sein vollbrachtes Werk, die durch Ihn ausgeführten Ratschlüsse Gottes und unsere Beziehungen zum Vater. Für uns sind alle jene Dinge Bilder tiefer Wahrheiten und eine reiche Fundgrube göttlicher Belehrung über das, was Gegenstand unserer Anbetung sein soll.
Denken wir nur an die Opfer in den ersten Kapiteln des 3. Buches Mose, die uns in bildlicher Weise die mannigfaltigen Seiten des Opfers Jesu Christi beschreiben! Sie zeigen uns, dass der christliche Anbeter in seinen Liedern und in der Danksagung vor allem Christus, in seinen persönlichen Vortrefflichkeiten und in seinem Werk, vor Gott hinbringen soll. Das ist für Ihn ein Opfer lieblichen Geruchs. – Welch ein Vorrecht, in dieser Weise mit Gott selber Gemeinschaft zu haben über seinen Sohn, im Bewusstsein der innigen Beziehungen zum Vater und zum Sohn, in denen wir stehen!
«Ihr seid eine heilige Priesterschaft»
Noch ein Unterschied zwischen dem Judentum und dem Christentum sei hier erwähnt: Während im Alten Bund nur die Männer aus dem Priestergeschlecht des Stammes Levi den Priesterdienst ausüben durften, gehört nun jeder, der ein lebendiger Stein am Haus Gottes ist, zur «heiligen Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus» (1. Pet 2,5.9). Daraus folgt, dass die Gläubigen im Bewusstsein versammelt sein sollen, dass sie alle Priester sind, um Gott in der Abhängigkeit vom Heiligen Geist Anbetung darzubringen. Er will je nachdem vielleicht drei oder sechs oder zehn Brüder benützen, um das in dieser Stunde Gott wohlgefällige Lob der versammelten Gläubigen zum Ausdruck zu bringen.
Im Zusammenhang mit den Opfern des Lobes wird in Hebräer 13,15.16 noch ein anderes Opfer in Verbindung gebracht:
«Das Wohltun aber und Mitteilen vergesst nicht, denn an solchen (geistlichen und materiellen) Opfern hat Gott Wohlgefallen.» Somit ist also die Stunde der Anbetung der geeignete Zeitpunkt, wo der Gläubige dieser Ermahnung nachkommen und durch materielle Gaben, sowohl «an den Bedürfnissen der Heiligen» («Wohltun») als auch an den Bedürfnissen des Werkes des Herrn und seiner Diener («Mitteilen») teilnehmen kann. Dieser Gedanke wird in der Anweisung des Apostels an die Korinther bestätigt: «An jedem ersten Wochentag lege ein jeder von euch bei sich zurück und sammle auf, je nachdem er Gedeihen hat» (1. Kor 16,2).
So lasst uns während der Woche uns «an all dem Guten erfreuen», das Gott vor unseren Herzen ausgebreitet hat, damit wir am Sonntag mit gefüllten Körben vor Ihn hintreten können und Er hoch erhoben werde! (5. Mo 26,1-11).