Bis jetzt beschäftigten wir uns mit Wahrheiten, die sich auf die Versammlung Gottes auf der Erde, als Ganzes genommen, beziehen. Wir erinnerten uns daran, wie sie entstanden ist und wer dazu gehört. Anhand verschiedener Bilder betrachteten wir die vielseitigen Aspekte der Versammlung und sahen auch, wie Gott durch geistliche Gaben für ihre Auferbauung sorgt. – Nun aber kommen wir zu einem anderen Kapitel mit vielen Untertiteln: Die Versammlung Gottes an einem bestimmten Ort, oder kurz gesagt:
Die örtliche Versammlung
Auch hier folgen wir den einfachen Belehrungen des Wortes Gottes. Es spricht nicht nur von der Versammlung im allgemeinen Sinn, sondern auch von der «Versammlung, die in Jerusalem war» (Apg 8,1), von der «dortigen Versammlung» in Antiochien (Apg 13,1), von «der Versammlung Gottes, die in Korinth ist» (1. Kor 1,2), und so weiter.
So wie alle wiedergeborenen und aus der Welt herausgerufenen Gläubigen zusammen die «Ekklesia» auf der Erde bilden, so umfasst auch eine örtliche Versammlung alle Geheiligten in Christus Jesus, alle berufenen Heiligen, die an diesem bestimmten Ort wohnen. Das geht aus 1. Korinther 1,2 unmissverständlich hervor. In den Tagen der Apostel war diese Tatsache sichtbar. Damals versammelten sich alle Gläubigen eines Dorfes oder einer Stadt einmütig an einem Ort und waren dadurch vor der Welt ein deutlicher Ausdruck des ganzen Leibes Christi. So schrieb Paulus an die Versammlung von Korinth: «Ihr aber seid Christi Leib, und Glieder im Einzelnen» (1. Kor 12,27).
Wenn auch – wie wir später noch sehen werden – jede örtliche Versammlung für ihren geistlichen Zustand vor dem Herrn eine eigene Verantwortung trägt, so ist sie doch kein unabhängiges Gebilde. Sie ist durch das Band des Geistes mit den übrigen Versammlungen aufs innigste verbunden und soll in allem eine genaue Darstellung der ganzen Versammlung Gottes auf der Erde sein.
Der schriftgemässe Boden
Heute, wo die Christen eines Ortes sonntags auf so vielen Wegen verschiedene Kirchen und Gemeinschaften aufsuchen, ist die Verbundenheit der Glieder zu einem einzigen Organismus nicht mehr zu sehen.
Viele Kinder Gottes haben sich mit dieser traurigen Tatsache abgefunden. Einige aber fragen sich ernstlich: Ist es heute, wo die überwiegende Mehrheit der Christen nicht im Entferntesten daran denkt, zu dem zurückzukehren, was im Anfang war und was wir den schriftgemässen Boden nennen können, einer Minderheit von Gläubigen überhaupt noch möglich, sich auf diesem Boden zu versammeln?
Gewiss, die sichtbare Einheit des Volkes Gottes ist durch unsere Untreue für immer in Brüche gegangen. Aber die göttliche Tatsache, dass alle Erlösten durch den Heiligen Geist zu einem Leib getauft sind (1. Kor 12,13), bleibt auch heute noch und für ewig bestehen!
Jeder, der dies erkennt und nicht nur den persönlichen Glaubenspfad, sondern auch den gemeinsamen Weg mit den Kindern Gottes nach seinen Anweisungen zu gehen wünscht, muss nicht auf seine Brüder warten, die in den menschlichen Systemen verharren. Denn durch seine Zugehörigkeit zu einem Sonderbekenntnis oder zu einer Spaltung würde er ja fortfahren, die biblische Wahrheit «da ist ein Leib» praktisch zu verleugnen. Er darf und soll sich im Glaubensgehorsam auf den Boden der von Gott bewirkten Einheit des Geistes stellen. Er muss diese Einheit also nicht erst machen oder erstreben, sondern braucht sie nur zu bewahren, indem er darin wandelt, gemäss der Ermahnung: «Euch befleissigend, die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens» (Eph 4,3).
Wenn sich nun an einem Ort einige Gläubige, und wären es nur zwei oder drei, nach dem Muster der örtlichen Versammlungen der Bibel nur noch auf dem Boden des «einen Leibes» versammeln wollen, so bilden sie keine neue «Gruppe». Denn sie behaupten nicht: Wir sind die Versammlung. Sie bekennen jetzt vielmehr: Jeder Gläubige in dieser Stadt ist ein Glied am Leib Christi und gehört nach Gottes Gedanken zu der Versammlung Gottes am Ort. Wohl vermögen diese Zwei oder Drei durch das, was sie tun, die unwiederbringliche sichtbare Einheit nicht wieder herzustellen, aber sie sind dadurch ein Zeugnis für die bestehende göttliche Wahrheit von der Einheit des Geistes in dem Band des Friedens, das die Glieder unter sich und mit dem Haupt unauflöslich verbindet.
Der göttliche Mittelpunkt
Gott hat Christus in den himmlischen Örtern zu seiner Rechten gesetzt und Ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt (Eph 1,20-23). Es ist daher undenkbar, dass Gott hier auf der Erde, in seinen Versammlungen in den verschiedenen Städten der Erde, einen andern Mittelpunkt als Christus anerkennen könnte! So hat auch unser Herr in Matthäus 18, als Er im Voraus die grossen Grundsätze der Zucht und des Zusammenkommens für seine Versammlung festsetzte, gesagt: «Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte» (Mt 18,20). Der Heilige Geist leitet die Gläubigen nur zu diesem Mittelpunkt hin. Verwirklichen sie diese Bedingung, so ist Jesus, unser Herr, nach seiner Verheissung persönlich, wenn auch unsichtbar unter ihnen.
Wunderbare Wahrheit! Dass Ihm doch unter allen Kindern Gottes dieser Zentralplatz der Führerschaft und der Autorität ungeschmälert eingeräumt würde! Wie reich wäre da der Segen, der vom Haupt zu allen seinen Gliedern fliessen könnte! Der Name Jesu ist allgenügend für den Einzelnen und auch für die Bedürfnisse der Versammlung.
Wenn man aber in der Stadt umhergeht und das religiöse Leben betrachtet, erkennt man, dass in der Christenheit viele andere Dinge oder Personen in der «Mitte» sind: Man versammelt sich zu einer Organisation, zu einem Namen, zu einem Prediger, und so weiter. Dass Christus dadurch aus dem Mittelpunkt verdrängt wird, versuchen wir im folgenden Abschnitt zu zeigen.
Die göttliche Leitung
Sind an einem Ort einige Gläubige im Namen des Herrn versammelt und trägt ihr Zusammenkommen wirklich diesen Charakter der «Versammlung Gottes», so ist der Herr ganz offensichtlich zu dem Zweck in ihrer Mitte, sie in allem zu leiten. Aller Augen sollen auf Ihn gerichtet sein und auf Ihn warten. Alle sollen in Unterwürfigkeit und Abhängigkeit gegenüber ihrem Herrn und Leiter verharren. Dann wird, den Gedanken und dem Willen Gottes entsprechend, in der Ausübung der geistlichen Gaben, im Dienst und im Verhalten aller Glieder Ordnung herrschen.
Aber auch der Heilige Geist ist in ihrer Mitte. Seit dem Tag der Pfingsten wohnt Er ja sowohl im einzelnen Gläubigen (1. Kor 6,19) als auch in der Versammlung Gottes (Eph 2,22). Schon der Herr hat seinen Jüngern in Aussicht gestellt, dass der Vater den Heiligen Geist in Jesu Namen senden werde (Joh 14,26). Er werde als Sachwalter unter ihnen sein und über ihre Sache «walten» (Joh 16,13). Und in 1. Korinther 12 und 14 wird uns dann gezeigt, wie Er diese Aufgabe erfüllt. Er teilt die verschiedenen Gnadengaben aus: «Dies alles aber wirkt ein und derselbe Geist, einem jeden insbesondere austeilend, wie er will» (1. Kor 12,11). Er ist anwesend, um zu führen, zu leiten und zu lehren. Es steht Ihm das Recht zu, wen immer Er will als seinen Mund zu gebrauchen zum Gebet, zum Lobpreis oder zum Dienst.
Wie aber kann dieser grosse Grundsatz der göttlichen Leitung unter den versammelten Gläubigen verwirklicht werden, wenn eine menschliche Leitung da ist, die die freie Leitung durch den Geist Gottes verhindert?
Was würde der Chef eines grossen Unternehmens sagen, wenn eines Tages ein anderer an seinem Führerpult sässe und seinen Mitarbeiterstab dirigierte? Zur Rede gestellt, würde dieser Andere vielleicht antworten: Ich weiss, dass es Ihr Geschäft ist, aber ich möchte Ihnen damit nur dienen und will in enger Verbindung mit Ihnen bleiben. Der Verwaltungsapparat, den ich einsetze, wird gut funktionieren. – Wird der Chef zugeben, dass er in seinem eigenen Unternehmen, das er selber leiten will, in die Rolle eines Beraters versetzt wird?
Wie viel weniger darf menschliche Willkür in die Rechte des Herrn und des Heiligen Geistes eingreifen, wie dies zum Beispiel durch das in unseren Tagen gebräuchliche Einmannsystem geschieht! Ein Mensch allein übernimmt den Dienst und übt ihn dazu noch in Übereinstimmung mit der besonderen Lehre seiner Kirche oder Bekenntnisgruppe aus! Er betet, er dient, er nimmt alle Handlungen vor, als ob es ausser ihm keinen anderen Leiter der Versammlung und keine anderen Glieder gebe, die der Heilige Geist brauchen wollte und könnte. Er ist eben als einer, der dem sogenannten «geistlichen Stand» angehört, von den Menschen aus allein berechtigt, es zu tun, weil er nach menschlichen Grundsätzen ausgebildet und durch menschliche Ordination zum Dienst eingesetzt worden ist. Bei dieser Einsetzung der Pfarrer usw., beharrt man auf dem Gedanken der Amtsnachfolge; sie hat durch solche zu geschehen, die einst in gleicher Weise durch Menschen eingesetzt worden sind. Die Kanzel wird den Laien, das heisst allen, die nicht nach diesen Vorschriften ausgebildet und eingesetzt wurden, verwehrt. Wer ein solches Amt bekleidet und ausübt, mag zu seiner Rechtfertigung unter anderem anführen, dass er sich im Dienst von oben leiten lasse. Dadurch wird aber das System, in dem er dient weder verbessert noch vor Gottes Wort gerechtfertigt.
Denn in der Apostelgeschichte und in den Briefen finden wir keine Andeutung darauf, dass in den örtlichen Versammlungen ein Einzelner zur Ausübung eines solchen «Amtes» eingesetzt worden wäre. Paulus besass wohl apostolische Autorität, die er bei Gelegenheit, zur Gründung von Versammlungen, auch auf seine Mitarbeiter Timotheus und Titus übertragen hat. Auch lesen wir von «Führern» (Apg 15,22; Heb13,7). Aber selbst diese Männer unterstellten sich in den Versammlungen der Leitung des Herrn und des Heiligen Geistes mit den anderen Brüdern (Apg 13,1.2).
Der göttliche Weg des Dienstes
Wenn Christen zum Herrn, als zu ihrem Mittelpunkt und Leiter, versammelt sind und von Ihm abhängig bleiben, wird Er ihnen alles darreichen, was sie benötigen, um als Zeugnis für seinen Namen bestehen zu können. Als Haupt seiner Versammlung hat Er den Menschen für das Werk des Dienstes Gaben gegeben und Er wird sie auch in den örtlichen Versammlungen zur Entfaltung bringen und beleben, seien es Gaben zur Auferbauung der Gläubigen oder zur Verkündigung des Evangeliums an Unbekehrte. Mag die Ausübung der Gaben auch in aller Schwachheit geschehen, so ist dieser Dienst doch vom Herrn. Fünf Worte «in Erweisung des Geistes» und in Übereinstimmung mit den Belehrungen der Heiligen Schrift sind besser als eine «vortreffliche Rede», die auf Menschen-Weisheit beruht (1. Kor 2,1-5).
Jeder Gläubige hat als Glied am Leib Christi seinen Anteil an der Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Zeugnisses für den Herrn; und wer eine der so verschiedenartigen Gaben vom Herrn empfangen hat, soll seine besondere Aufgabe erfüllen, entsprechend der Ermahnung: «Je nachdem jeder eine Gnadengabe empfangen hat, dient einander damit als gute Verwalter der mannigfaltigen Gnade Gottes. Wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes; wenn jemand dient, so sei es als aus der Kraft, die Gott darreicht, damit in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus» 1. Pet 4,10.11). Auf diese Weise werden die vorhandenen geistlichen Gaben und Fähigkeiten geweckt und entwickelt. Da hingegen, wo ein einzelner Mann als «Diener des Herrn» von Menschen eingesetzt worden ist, bestehen diese inneren Übungen nicht und viele Gaben, die der Herr seiner Versammlung gegeben hat, liegen dort brach.
Bei der Besprechung der einzelnen Zusammenkünfte werden wir noch auf weitere Einzelheiten des Dienstes zu sprechen kommen.