Die Versammlung des lebendigen Gottes (21)

Evangelisations-Versammlungen (1)

Nun haben wir aber noch nicht alle Arten von Zusammenkünften einer örtlichen Versammlung besprochen, wirst du sagen. Da sind doch noch die

Evangelisations-Versammlungen

Wenn wir hier an letzter Stelle darauf zu sprechen kommen, so deshalb, weil solche Versammlungen einen anderen Charakter tragen als die Zusammenkünfte, die wir bisher beleuchtet haben.

Beim Zusammenkommen zum Brechen des Brotes und zur Anbetung, bei der Gebetsversammlung und der Zusammenkunft zur Verkündigung des Wortes Gottes handelt es sich um ein Zusammenkommen «als Versammlung» (1. Kor 11,18). Da hat – wie wir gesehen haben – nicht der Mensch die Leitung. Denn wenn die Gläubigen zum Namen des Herrn Jesus hin versammelt sind, so ist Er selbst in ihrer Mitte, um durch den Heiligen Geist den ganzen Ablauf der Zusammenkunft zu leiten.

Dieselben Gläubigen sind aber auch für die Ausführung des grossen Missionsbefehls verantwortlich, den der Herr seinen Jüngern erteilt hat: «Geht hin in die ganze Welt und predigt der ganzen Schöpfung das Evangelium!» (Mk 16,15). Als Einzelne – nicht «als Versammlung» – sollen sie hingehen, um den Kindern der Welt die gute Botschaft des Heils in Christus zu verkündigen. Bei der Ausübung dieses Dienstes werden Brüder, denen der Herr eine Evangelistengabe gegeben hat, allein oder mit gläubigen Helfern Evangelisations-Versammlungen abhalten. Diese Diener dürfen bei solchen Zusammenkünften alles vom Herrn erwarten. Seine Leitung und seinen Segen, die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in der Darreichung des Wortes und in seiner Anwendung auf Herz und Gewissen der Hörer, wie auch in der Errettung von Sündern. Sonst wäre ja der ganze Dienst nutzlos. Aber die Evangelisations-Versammlung trägt gleichwohl nicht die Merkmale eines Zusammenkommens «als Versammlung». Erstens handeln die Diener in persönlicher Verantwortung dem Herrn gegenüber. Möglicherweise zeigt Er ihnen z.B. schon vor diesen Versammlungen, welche Schriftabschnitte oder Themata sie wählen, ob und welche Lieder gesungen werden sollen, usw. Zweitens ist an dem Ort, wo der Evangelist zur Verkündigung der guten Botschaft hingeführt wird, vielleicht noch gar keine örtliche Versammlung im Sinn des Wortes Gottes, so dass auch deshalb der Grundsatz von Matthäus 18,20 hier nicht angewendet werden kann.

Als Illustration zu diesen Feststellungen seien Beispiele aus der Apostelgeschichte erwähnt: Petrus und Johannes gingen mit dem geheilten Lahmen in den Tempel (Apg 3,1 bis 4,4). Ganz offensichtlich waren sie in allem vom Herrn geleitet. Durch das Wunder angelockt, lief das Volk voll Erstaunen zusammen in der Säulenhalle. Da benützte Petrus diese vom Herrn gegebene Gelegenheit, um den Juden in der Kraft des Heiligen Geistes und in aller Deutlichkeit Buße und Vergebung der Sünden durch Jesus Christus zu verkündigen, mit dem Resultat, dass viele Hunderte von Männern gläubig wurden. – Das war eine der ersten «Evangelisations-Versammlungen». Sie wurde nicht im Schoss der Versammlung in Jerusalem abgehalten, deren Zusammenkünfte zum Brechen des Brotes und zum Gebet in den Häusern stattfanden (Apg 2,46; 12,5.12), sondern draussen im Tempel, das heisst da, wo die Menschen zu finden waren. Und es wird nicht gesagt, ob unter den Zuhörern überhaupt noch andere Gläubige anwesend waren.

Als später Paulus und seine Begleiter verschiedene Missionsreisen unternahmen und dabei viele Städte Kleinasiens und Griechenlands besuchten, da fanden sie selbstverständlich nirgends Versammlungen von Gläubigen, in deren Mitte sie die gute Botschaft des Heils in Christus verkündigen konnten. Denn das Evangelium war ja unter den Nationen noch unbekannt. Sie predigten das Wort in den Synagogen, auf Strassen und Plätzen, und diese Menschenansammlungen waren gewiss kein zusammenkommen «als Versammlung».

Weshalb ist es denn so wichtig, den Unterschied zwischen den Zusammenkünften der Versammlung und den Evangelisations-Versammlungen hervorzuheben? Weil einerseits die Gläubigen versucht sein könnten, die Freiheit zu beschränken, die der Herr den Evangelisten zum Nutzen des Werkes eingeräumt hat. Diese Neigung mag aus der heutigen Gewohnheit herrühren, die Evangelisation in den üblichen Lokalen abzuhalten. Anderseits besteht aber auch die Gefahr, den Charakter der von einem Menschen geführten Evangelisationen auch den Zusammenkünften der Gläubigen aufzudrücken. Vor beidem müssen wir uns hüten.

Die örtlichen Versammlungen als Evangelisationszentren

Darf aus der Tatsache, dass nicht die Versammlung als solche es ist, die evangelisieren soll, der Schluss gezogen werden, dass das so überaus wichtige Werk der Evangelisation nur den Brüdern überlassen bleiben muss, die vom Herrn in besonderer Weise zu diesem Dienst berufen worden sind? Weit gefehlt! Das Wort belehrt uns durch schöne Beispiele, dass jede Versammlung eine Art Evangelisationszentrum sein sollte, von wo aus dieses Werk jede mögliche Unterstützung empfängt, durch mittragendes Gebet, materielle Unterstützung und praktische Hilfe. Überdies wird jeder Einzelne, der von der Liebe des Christus erfüllt ist, sich bemühen, die Menschen seiner Umgebung mit dem Evangelium in Verbindung zu bringen. Dass jede örtliche Versammlung auch in ihrem Lokal den Evangelisten, die an der Wahrheit festhalten, mit Freuden die Möglichkeit zur Verkündigung der guten Botschaft gibt, ist eine Selbstverständlichkeit. So hat jeder Gelegenheit, Freunde und Bekannte, um die er sich müht, einzuladen.

Auch bei den gewohnten Wortverkündigungen sollten sich die Brüder bewusst sein, dass sich unter den Zuhörern Unbekehrte und Kinder befinden mögen, die auf das Heil in Christus hingewiesen werden sollen.

Welche Versammlungen sind es denn, die das Wort Gottes als leuchtende Beispiele für den Eifer im Evangelium vor uns hinstellt?

1. Antiochien

Von dieser Versammlung haben Barnabas und Paulus die erste Missionsreise zu den Nationen unternommen (Apg 13,1-3). Es begann damit, dass die dortigen Brüder «dienten und fasteten». Ihnen allen lag es am Herzen, dem Herrn ganz zur Verfügung zu stehen und hinsichtlich ihres Dienstes auf seine Weisungen zu warten. Und als der Heilige Geist sprach: «Sondert mir nun Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe», da fasteten und beteten sie wiederum. Alle waren sich der Schwierigkeiten dieses Dienstes bewusst, der für die beiden so unzählige Mühen und Gefahren mit sich bringen würde und befahlen sie der Gnade Gottes an zu dem Werk (Apg 14,26). Dann «legten sie ihnen die Hände auf» und sagten in dieser symbolischen Sprache gleichsam: Wir machen uns völlig eins mit euch in euerem Dienst und werden euch während der langen Monate euerer gefährlichen Reise mit ernster und ausdauernder Fürbitte begleiten, damit der Herr euch leite und bewahre, euch eine Tür des Wortes auftue und aus euerer Arbeit reiche Frucht hervorgehen lasse.

Wie einst die Fürbitte Moses auf dem Gipfel des Hügels den Ausgang des Kampfes Israels mit Amalek bestimmte, so wird auch ohne Zweifel die anhaltende Fürbitte der Versammlung für den Erfolg des Dienstes der beiden Diener, die in das Reich finsteren Heidentums vordrangen, ein mächtiger Faktor gewesen sein!

Als dann Paulus und Barnabas von dem Werk, das sie erfüllt hatten, zurückkehrten, brachten sie die Versammlung zusammen und erzählten alles, was Gott mit ihnen getan, und dass er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. (Siehe auch Apg 18,22.23). Welche Teilnahme am Evangelium vonseiten der ganzen Versammlung, von Anfang bis zum Ende!