Wir wollen uns nun die praktischen Konsequenzen ansehen, die sich aus der Aussage von Römer 6,11 ergeben: «So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus.»
Für die Sünde tot
Wir werden aufgefordert, uns der Sünde für tot zu halten. Der Wortlaut der Ermahnung macht klar, was gemeint ist. Wenn wir wirklich tot wären, müsste der Apostel uns nicht dazu anhalten, uns für tot zu halten. Es geht also darum, uns so anzunehmen, wie uns Gott sieht. Am Kreuz ist unsere Natur, die uns Adam weitergegeben hat, gerichtet worden. Nun betrachtet Gott uns als solche, an denen das Todesurteil vollzogen worden ist. Folglich sind wir in seinen Augen tot. So lautet seine richterliche Beurteilung aller Glaubenden, was den alten Menschen betrifft. Genauso soll auch unsere Einschätzung sein. Was Gott erklärt, müssen wir glauben – trotz all unserer gegenteiligen Erfahrungen. Weil Er uns mit Christus gekreuzigt sieht, haben wir uns auch dafür zu halten. Deshalb sagt der Apostel Paulus den Galatern: «Ich bin mit Christus gekreuzigt» (Gal 2,19). Den Kolossern schreibt er: «Wenn ihr mit Christus … gestorben seid» (Kol 2,20). Diese Wahrheit ist das herausragende Motiv, um der Versuchung zu widerstehen. Wir müssen bei jeder Versuchung zur Sünde daran festhalten, dass unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt worden ist, «damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen»(Röm 6,6).
So sieht unsere Stellung vor Gott aus. Sie bestimmt auch unsere Verantwortung. Wenn ich der Sünde nachgebe, verleugne ich die Tatsache meines Todes mit Christus. Die begangene Sünde ist der Beweis dafür, dass die alte Natur (das Fleisch) lebt und tätig geworden ist. Aber wenn ich durch den Glauben mich so annehme, wie Gott mich sieht, kann ich weder die Sünde in meinem sterblichen Körper herrschen lassen, noch den Begierden in mir gehorchen (Röm 6,12). Der Tod des Herrn Jesus ist auf diese Weise für mich das Mittel zur Befreiung geworden. Ich halte mich der Sünde für tot. Dadurch bleibt mein Frieden gesichert. Ich weiss zwar, dass das Fleisch noch in mir ist und jederzeit durch die Begierde aktiv werden kann, wenn ich mich der Sünde nicht für tot halte. Aber mein sündiges Fleisch ist bereits gerichtet und am Kreuz verurteilt worden.
Für Gott lebend
Auf der anderen Seite sollen wir uns dafür halten, dass wir im Herrn Jesus Christus Gott leben. Diese Tatsache entspringt unserer Auferweckung mit Christus, worauf in Römer 6 zwar nicht weiter eingegangen wird. Aber wir können nur für Gott leben, weil wir mit dem auferstandenen Christus einsgemacht worden sind. Im Kolosser-Brief wird diese Belehrung vollständig entwickelt. Der Apostel begründet dort seine Ermahnung mit der Tatsache: «Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist; denn ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott»(Kol 3,1-3). Wir sind nicht nur mit Christus gekreuzigt worden, sondern wir sind auch mit Ihm durch den Tod gegangen, denn Gott hat uns in Christus Jesus mitauferweckt (Eph 2,6).
Zweierlei gilt es gut festzuhalten: Einerseits leben wir in Christus für Gott. Das ist unsere Stellung. Anderseits ist es eine Sache des Glaubens, denn wir müssen uns als für Gott lebend halten oder erachten. Wir sollen die Einschätzung Gottes in diesem Punkt anerkennen, unabhängig von inneren und äusseren Hindernissen. Weil Gott mich in Bezug auf die Sünde für tot hält und in Christus für sich selbst als lebend sieht, soll ich dies auch tun. Seine Beurteilung ist sowohl die Grundlage für meinen Glauben und mein Vertrauen als auch das Mass meiner Verantwortung.
Vor Gott wurden wir durch den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus aus unserem alten Zustand und unserem alten Bereich in eine neue Stellung versetzt, wo das Fleisch keinen Zugang hat. Die Befreiung ist so vollständig, dass nicht nur gesagt werden kann: «Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind», sondern auch: «Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn nämlich Gottes Geist in euch wohnt» (Röm 8,1.9). Das ist unsere vollkommene Stellung vor Gott in Christus, der aus den Toten auferstanden ist.
Also herrsche nicht die Sünde in eurem Leib
Wir sind jetzt in der Lage, die Ermahnung zu verstehen, die in Römer 6,12 folgt: «Also herrsche nicht die Sünde in eurem sterblichen Leib, um seinen Begierden zu gehorchen.» Hier wird unsere Stellung vor Gott in Jesus Christus mit unserem praktischen Zustand verknüpft. Wir haben gesehen, dass Gott uns der Sünde für tot hält. Aber die obige Ermahnung geht davon aus, dass die Sünde im Glaubenden ist. Wenn wir diesen Gegensatz und die daraus entstehenden Folgen verstehen, findet finden wir die Antwort auf die Schwierigkeiten, die häufig zu Beginn des Glaubenslebens auftreten. Diese Probleme halten die Gläubigen oft während Jahren, wenn nicht sogar während ihres ganzen Lebens gebunden. Deshalb ist diesem Punkt grosse Bedeutung beizumessen. Fassen wir daher die biblische Belehrung über dieses Thema zusammen:
a) Die Sünde wird immer im Gläubigen sein
Das gilt, solange der Christ auf der Erde lebt. Obschon er vor Gott völlig befreit ist, bleibt das Fleisch in ihm. «Ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, nichts Gutes wohnt»(Röm 7,18). Wir können daher nie eine Verbesserung des sündigen Fleisches erwarten. Was es vor unserer Bekehrung war, wird es bis zu unserem Heimgang oder bis zur Entrückung bleiben (Röm 8,1-13).
b) Eine vollkommene Stellung vor Gott
Die Tatsache, dass die Sünde in uns ist, ändert nichts an unserer vollkommenen Stellung vor Gott. Er hat uns in Jesus Christus völlig angenommen und hält uns in Bezug auf die Sünde für tot. Dies ist seine richterliche Beurteilung über uns. Folglich betrachtet Er die Sünde in uns als bereits gerichtet, und zwar im Tod des Herrn Jesus, als die Sünde im Fleisch verurteilt wurde (Röm 8,3). Die Sünde in mir kann unter der Bedingung, dass ich ihr nicht nachgebe, sondern sie verurteile, meine Freude an der Liebe Gottes nicht einschränken. Warum nicht? Weil ich die Sünde in mir entsprechend Gottes eigener Beurteilung als verurteilt betrachte. Somit ist nicht nur meine Stellung unveränderlich, sondern auch mein Frieden und meine Gemeinschaft bleiben für immer.
c) Die Verantwortung bezieht sich auf die Beurteilung Gottes
Wenn ich mich der Sünde für tot halte, muss ich dies auch praktisch verwirklichen. Ich darf nicht erlauben, dass die Sünde über meinen Körper herrscht und mich dazu bringt, den Begierden in mir zu gehorchen. Wenn ich zulasse, dass die Sünde herrscht, widerspreche ich Gott, der mich der Sünde für tot hält. Ich muss mich daher für tot halten und meine Glieder töten, die auf der Erde sind (Kol 3,5). Warum? Weil ich mit Christus gestorben bin. Dies ist der Schlüssel oder das Geheimnis für ein Leben, das nicht von der Sünde beherrscht wird. Ich kann diesen Feind nicht loswerden. Aber Gott hat ihn verurteilt und ich muss mich entsprechend diesem Urteil verhalten: Ich halte ihn am Platz des Todes, an den er bereits versetzt worden ist. Deshalb werden wir nicht aufgefordert, die Sünde zu vertreiben oder auszureissen oder irgendwie loszuwerden, wozu eine falsche Lehre auffordert. Stattdessen sollen wir die Sünde nicht zum Zug kommen lassen. Keinesfalls darf sie wieder über uns herrschen. Darum müssen wir sie an ihren Platz und unter das Urteil des Todes stellen, das bereits über sie ausgesprochen worden ist.
Vielleicht sagst du: «Das ist genau mein Problem! Wie kann ich dies tun, so arm und schwach wie ich bin?» So spricht immer der Unglaube. Nehmen wir das Beispiel von David im Kampf gegen Goliath. Hielt er es für unmöglich, gegen einen solch mächtigen Feind zu kämpfen? Überhaupt nicht. Er war davon überzeugt, dass der Sieg dem HERRN gehören würde und dass Goliath als Feind des HERRN an jenem Tag in seine Hände ausgeliefert würde (1. Sam 17,45-47). Er schätzte seinen Gegner anhand der Macht Gottes ein. Gemessen an diesem Massstab war Goliath klein und kraftlos. So sollte es auch bei uns sein. Die Sünde in uns ist tatsächlich stark und möchte aktiv sein. Aber Gott, der uns ermahnt, uns der Sünde für tot zu halten, gibt uns auch die Kraft, um diese Ermahnung zu befolgen. Er hat uns den Heiligen Geist gegeben, der in uns wohnt. Wenn wir durch den Geist die Handlungen des Leibes töten, werden wir leben (Röm 8,13). Wenn wir im Geist wandeln, werden wir die Lust des Fleisches nicht vollbringen (Gal 5,16). Der Geist Gottes ist unsere Kraft im Kampf. Diese Macht, die uns gegeben worden ist, genügt völlig, damit die Sünde nicht mehr in unseren sterblichen Körpern herrscht.
Der Herr sei gepriesen! Wir können uns wie das Volk Israel auf der anderen Seite des Roten Meeres aufhalten und Ihn loben: «Meine Stärke und mein Gesang ist Jah, denn er ist mir zur Rettung geworden»(2. Mo 15,2).