Die Verantwortung
Unsere Stellung in Christus vor Gott ist ein grosses Vorrecht. Das bringt aber auch eine Verantwortung mit sich. Damit wollen wir uns jetzt beschäftigen. Wir haben gesehen, dass wir in Christus vor Gott sind. Nicht weniger wunderbar ist die Tatsache, dass auch Christus in uns ist, während wir hier leben (Joh 15,4; Gal 2,20, Eph 3,17; Kol 1,27 usw.). Diese Wahrheit bestimmt das Mass unserer Verantwortung.
Gott hat uns dort eine Stellung in Christus gegeben, wo unser Herr ist. Nun möchte Er, dass wir da, wo wir sind, für den Herrn Jesus zeugen. Wir führen einige Bibelstellen an, die diese Wahrheit bestätigen: «Wer sagt, dass er in ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie er gewandelt ist» (1. Joh 2,6). Wenn wir diesen Vers näher anschauen, können wir uns fragen: Wie war der Wandel des Herrn Jesus? Er führte sein Leben als Einer, der vom Himmel herabgekommen war. Er konnte zu Nikodemus sagen: «Der Sohn des Menschen, der im Himmel ist» (Joh 3,13). Sein ganzes Leben war der Ausdruck davon. Er führte hier ein himmlisches Leben, denn Er war vom Vater gekommen, um Ihn zu offenbaren und um die Vollkommenheit des Himmels auf der Erde zu entfalten. In Johannes 14,9 konnte Er sagen: «Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.» In moralischer Hinsicht war Er die vollkommene Darstellung des Vaters. Auf diese Weise müssen wir unser Leben führen, d.h. als solche, die nicht zur Erde, sondern zum Himmel gehören. Wir haben die Verantwortung, auf der Erde die Charakterzüge das Himmels zu offenbaren, denn wir sind mit Christus gestorben. Wir sind mit Ihm nicht nur der Sünde gestorben, sondern auch der Welt, in der wir leben. Ausserdem sind wir mit Ihm auferweckt worden. Unser Bürgertum ist in den Himmeln (Phil 3,20). Unsere Lebensführung muss damit übereinstimmen. Der Apostel Paulus fasst diese Wahrheit zusammen und zeigt auf bemerkenswerte Weise, wie weit die praktische Umsetzung geht: «Allezeit das Sterben Jesu am Leib umhertragend, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden allezeit dem Tod überliefert um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar werde» (2. Kor 4,10.11).
Auf der einen Seite ist es der Tod und auf der anderen Seite das Leben. Es geht um den Tod im Blick auf alles, was wir im Fleisch waren. Das Leben hingegen betrifft das, was wir in Christus sind, oder vielmehr Christus selbst als unser Leben, wie es in unserem sterblichen Körper gesehen wird. Deshalb fordert uns Kolosser 3,5 auf: «Tötet nun eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinheit, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht, die Götzendienst ist.» Es ist offensichtlich, dass diese Verpflichtung aus der Tatsache unserer Stellung in Christus kommt, der aus den Toten auferstanden ist. Der Apostel zeigt uns, dass er seine Verantwortung vollständig erfasst hat, wenn er in Philipper 1,21 sagt: «Das Leben ist für mich Christus, und das Sterben Gewinn.» In dem Mass, wie wir so weit kommen, das Gleiche mit Glaubensüberzeugung zu sagen, werden wir unsere hohe Stellung in Christus verstehen.
Die folgende Bibelstelle zeigt unsere Verantwortung unter einem anderen Gesichtspunkt: «Seid nun Nachahmer Gottes, als geliebte Kinder, und wandelt in Liebe, wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch» (Eph 5,1.2). Der Apostel Johannes ermahnt uns auf die gleiche Weise: «Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass er für uns sein Leben hingegeben hat; auch wir sind schuldig, für die Brüder das Leben hinzugeben» (1. Joh 3,16). Zudem haben wir noch ein Beispiel, das der Herr selbst erwähnt: «Als er ihnen nun die Füsse gewaschen und seine Oberkleider genommen hatte, legte er sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: Versteht ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt es zu Recht, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, euch die Füsse gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füsse zu waschen. Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit, wie ich euch getan habe, auch ihr tut» (Joh 13,12-15). Die Liebe des Herrn Jesus uns gegenüber, die sich gezeigt hat, als Er sich für uns in den Tod gegeben hat, wird uns als Beispiel vorgestellt. Wenn Er sein Leben für uns gelassen hat, sollten auch wir bereit sein, das Leben für unsere Glaubensgeschwister zu lassen. Ein solches Opfer ist der Ausdruck höchster Liebe. Unsere Verantwortung besteht darin, uns dementsprechend zu verhalten.
Es ist bemerkenswert, mit welcher Sorgfalt der Heilige Geist in Epheser 5 den Charakter der Liebe beschreibt, die wir zu zeigen berufen sind. Er lässt nicht zu, diese Liebe auf die Ebene menschlicher Güte und Freundlichkeit herabzuziehen. Die Art der Liebe wird klar definiert: «Wie auch der Christus uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben hat als Darbringung und Schlachtopfer, Gott zu einem duftenden Wohlgeruch.» Obwohl wir aufgerufen werden, unsere Glaubensgeschwister bis zum Äussersten zu lieben, muss doch die Liebe zu Gott und nicht die Liebe zu ihnen ausschlaggebend sein. Unsere Liebe zu Ihm zeigt sich aber nur auf dem Weg des Gehorsams. «Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten» (1. Joh 5,2). Daher wird das Opfer, das der Herr Jesus dargebracht hat, mit dem Gehorsam bis zum Tod charakterisiert (Phil 2,8). Davon spricht Er auch in Johannes 10,18: «Ich habe Gewalt, es (das Leben) zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen.» Wir müssen immer den Herrn Jesus vor unseren Herzen haben. Wenn Er der Beweggrund all unserer Handlungen ist, folgen wir den Spuren seiner Liebe und lieben einander, wie Er uns geliebt hat (Joh 15,12).
Der Apostel Petrus zeigt uns eine andere Seite unserer Verantwortung, indem er uns das Verhalten des Herrn Jesus vorstellt. Von Ihm lernen wir, wie wir mit Feinden und mit denen, die uns verfolgen, umgehen sollen. «Was für ein Ruhm ist es, wenn ihr ausharrt, indem ihr sündigt und geschlagen werdet? Aber wenn ihr ausharrt, indem ihr Gutes tut und leidet, das ist wohlgefällig bei Gott. Denn hierzu seid ihr berufen worden; denn auch Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel hinterlassend, damit ihr seinen Fussstapfen nachfolgt; der keine Sünde tat noch wurde Trug in seinem Mund gefunden, der, gescholten, nicht wiederschalt, leidend, nicht drohte, sondern sich dem übergab, der gerecht richtet; der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat, damit wir, den Sünden abgestorben, der Gerechtigkeit leben, durch dessen Striemen ihr heil geworden seid» (1. Pet 2,20-24).
Der Herr Jesus ist also in jeder Hinsicht der Inhalt unserer Verantwortung im praktischen Glaubensleben, denn Er ist unser Leben. «Ich bin mit Christus gekreuzigt, und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt lebe im Fleisch, lebe ich durch Glauben, durch den an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat» (Gal 2,19.20).
Zur Unterstützung des Betrachteten können wir noch zwei Abschnitte aus Epheser 4,20-32 und Kolosser 3 heranziehen. Auch in diesen Bibelstellen gründet sich die Ermahnung auf unsere Stellung in Christus. Wir geben den letzten Abschnitt wieder, um den allgemeinen Charakter zu zeigen. Der erste Teil von Kolosser 3 behandelt unser Gestorbensein und unser Auferwecktsein mit Christus. Davon haben wir bereits gesprochen. Danach folgen praktische Hinweise. Auf diese Weise legt der Apostel die Grundlage für unsere Lebensführung: «Belügt einander nicht, da ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn erschaffen hat; wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Unbeschnittensein, Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen. Zieht nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte: herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Langmut» (Kol 3,9-12). Ohne im Detail auf diese Verse einzugehen, können wir festhalten, dass sich diese Ermahnungen auf die Tatsache gründen, dass wir den «alten Menschen ausgezogen» und den «neuen Menschen angezogen» haben. Aber wann haben wir den alten Menschen ausgezogen? Es geschah, als wir bei der Bekehrung mit Christus gestorben sind. In seinem Tod ist unser alter Mensch mitgekreuzigt worden (Röm 6,6). Wann haben wir den neuen angezogen? Als wir bei unserer Bekehrung mit Christus auferweckt worden sind (Kol 2,11-13; 3,1-5). Von dieser Tatsache hängt unsere ganze Verantwortung ab. Wenn ich durch Gnade den alten Menschen ausgezogen habe, so bin ich verantwortlich, nicht mehr nach dem alten Menschen zu leben, sondern meine Glieder, die auf der Erde sind, zu töten. Wenn ich den neuen Menschen angezogen habe, bin ich verantwortlich, einen entsprechend würdigen Lebenswandel zu führen. Gott hat uns durch den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus aus diesem alten Zustand und dieser erbärmlichen Situation herausgeführt, in der Adam und wir alle uns befanden. Gott hat uns auch in die neue Stellung versetzt, in der Christus alles und in allen ist. Das ist die Grundlage unseres Verhaltens.
Wenn nun Christus in der Herrlichkeit das Mass meiner Berufung ist, ist Er auch das Mass meiner Verantwortung. Weil diese zwei Punkte im Wort Gottes immer miteinander verbunden werden, müssen sie auch in unseren Herzen verknüpft sein. «Wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden» (2. Kor 5,17). Der Gläubige ist in die neue Schöpfung versetzt worden, deren Anfang und Haupt der Herr Jesus Christus ist. Als Folge davon ist jeder Glaubende verantwortlich, sein Leben entsprechend dieser neuen Stellung zu führen, die er nun vor Gott einnimmt.