Die Offenbarung (1)

Offenbarung 1,1-8

Das Thema dieses Buches ist Gericht und die Art der Ausdrucksweise symbolisch.

Gott wird darin als der Allmächtige, der Ewige, der Richter der ganzen Erde offenbart. Christus erscheint als der Richter, der seine Funktion zuerst im Haus Gottes, dann auch unter den Nationen ausübt. Der Heilige Geist wird nicht als der «eine Geist» gesehen, sondern in seiner vollkommenen Handlungsvielfalt in Verbindung mit der Regierung Gottes.

Wie in der ganzen Bibel ist Christus die Hauptperson und seine Herrlichkeit das zentrale Thema. Doch neben der Person und der Herrlichkeit von Christus nehmen das Reich und die Versammlung den wichtigsten Platz ein.

Die Welt hingegen wird die ganze Zeit hindurch als ein Schauplatz des Gerichts betrachtet. Daher geht es hier um die Gerichte und nicht um die Segnungen des irdischen Reichs. Auch die Versammlung auf der Erde wird nicht in ihren Vorrechten gesehen, sondern in ihrer Verantwortung als das Haus Gottes, bei dem das Gericht beginnen muss. Anderseits werden hier sowohl die himmlischen Herrlichkeiten der Versammlung als auch die himmlische Seite des Reiches enthüllt – etwas, worüber das Alte Testament schweigt.

Die Sprache des Buches ist grösstenteils symbolischer Art. Darin gleicht es den Prophezeiungen Daniels. Aber während bei Daniel die Symbole in der Regel erklärt werden, müssen die Interpretationen in diesem Buch meistens von anderen Schriftstellen hergeleitet werden.

Es gibt noch viele andere Merkmale – sowohl inhaltlich als auch in der Ausdrucksweise –, die unsere Aufmerksamkeit verlangen. Wir behandeln sie, wenn sie im Text vorkommen.

Das Buch unterteilt sich auf natürliche Art und Weise in drei Abschnitte. Am Ende des ersten Kapitels wird Johannes aufgefordert: «Schreibe nun das, was du gesehen hast und was ist und was nach diesem geschehen wird.» «Das, was du gesehen hast» – der erste Teil – ist eine Einführung zu dem, «was ist», dem zweiten Teil. «Das, was nach diesem geschehen wird» – der dritte Teil- enthält zwei klar erkennbare Kategorien: das, was dem Kommen und dem Reich des Christus vorangeht; und das, was mit dem Kommen und dem Reich des Christus einhergeht oder darauf folgt. Das Buch lässt sich also wie folgt einteilen:

  1. «Was du gesehen hast» – die einleitende Vision.
  2. «Das, was ist» wird in den darauf folgenden Sendschreiben an die sieben Versammlungen beschrieben.
  3.  
    1. Die Gerichte, die vor der Ankunft des Herrn vom Himmel auf die Erde niederfallen.
    2. Das Kommen und die Herrschaft von Christus, die mit dem Gericht der Toten vor dem grossen weissen Thron endet und in den ewigen Zustand, in dem Gott alles in allem ist, überleitet.

Das, was du gesehen hast und was ist (Kapitel 1 – 3)

Vorwort (Kapitel 1,1-3)

«Offenbarung Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss; und durch seinen Engel sendend, hat er es seinem Knecht Johannes gezeigt, der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi, alles, was er sah. Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe» (Kap. 1,1-3). So lautet das Vorwort zu diesem Buch, das den Titel «Offenbarung Jesu Christi» trägt. Diese Worte meinen jedoch nicht seine angekündigte Offenbarung oder Erscheinung in der Welt, sondern eine Offenbarung oder prophetische Mitteilung, die Er von Gott empfängt und seinen Knechten übermittelt. Dies zeigt den Charakter, in dem die verschiedenen Personen – sowohl göttliche als menschliche – hier vorgestellt werden.

Gott wird hier nicht als der Vater der Gläubigen oder gar der Vater von Jesus Christus betrachtet, sondern als souveräner Schöpfer und Richter, der Christus seine eigenen Ratschlüsse mitteilt. Jesus Christus seinerseits wird nicht als «der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist», und der mit allem dort Verborgenen vertraut ist, gesehen; sondern als Der, der nichts aus sich selbst tut. Er ist der abhängige Mensch, dem die Ratschlüsse Gottes in Bezug auf das Gericht der Erde und das kommende Königreich anvertraut werden. So wird Er auch im Markus-Evangelium gesehen, wenn Er sagt: «Von jenem Tag aber oder der Stunde weiss niemand, weder die Engel im Himmel noch der Sohn, sondern nur der Vater» (Mk 13,32).

Auch seinen Jüngern zeigt Er sich hier nicht als das Haupt des Leibes, auch nicht als der Freund, der ihnen sein Herz öffnet, sondern als der Herr, der seinen Knechten in Bezug auf das, «was bald geschehen muss», Anweisungen gibt. «Durch seinen Engel sendend, hat er es seinem Knecht Johannes gezeigt.» Die Engel waren für Gott die Mittler, um mit Israel in Kontakt zu treten. Stephanus sagt, dass sie «das Gesetz durch Anordnung von Engeln» empfangen haben (Apg 7,53). Im Hebräer-Brief werden «das durch Engel geredete Wort» und Gott, der im Sohn zu uns redet, einander gegenübergestellt (Heb 1,2 und 2,2). So finden wir hier eine Rückkehr zu jüdischen Kommunikationsmitteln, die vollkommen zum Charakter dieses Buches passen. Denn Gott enthüllt hier sein Handeln mit der Welt, wenn Er sein irdisches Volk wiederherstellt und in seine Gunst zurückbringt. Es ist ein Buch, das die Versammlung nicht in ihren Vorrechten, sondern in ihrer Verantwortung als Zeuge für Christus sieht, ein Zweig, der in den guten Ölbaum eingepfropft ist und entweder Frucht bringt oder ausgebrochen werden muss.

Es wird gesagt, dass es «bald geschehen muss», denn die Zeitperiode der Versammlung wird wie immer undefiniert gelassen. Obwohl der Herr «nicht will, dass irgendwelche verloren gehen» und deshalb bis jetzt sein Kommen gnädigerweise hinausgezögert hat, sagt Er doch: «Siehe, ich komme bald.» Die Lenden seiner Jünger sollten umgürtet und ihre Lampen brennend sein; und sie sollten Menschen gleichen, die auf ihren Herrn warten (Lk 12,35.36).

Der Engel gibt die Botschaft an Johannes weiter, «der bezeugt hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi, alles, was er sah». Vor dem letzten Teilsatz findet sich kein und. Er bezeugt nicht etwas, das er zusätzlich zum Wort Gottes und dem Zeugnis Jesu Christi gesehen hat, sondern er bezeugt alles, was er von ihnen gesehen hat. Auch hier ist Christus nicht der Sohn, der den Vater offenbart, sondern der treue Zeuge, der das Wort Gottes bestätigt. Dieses Wort wird uns ernsthaft zum Studium empfohlen. «Glückselig, der da liest und die da hören die Worte der Weissagung und bewahren, was in ihr geschrieben ist; denn die Zeit ist nahe.» Einen solchen Wert hat dieses Buch in den Augen Gottes! Sowohl auf dem Lesen als auch auf dem Hören liegt ein Segen; denn die Wahrheit ist praktisch und muss festgehalten werden, da ihre Erfüllung nahe ist.

Einführung (Kapitel 1,4-20)

Die Einführung umfasst zuerst die Grussworte (V. 4-6); dann das Hauptthema des Buches, nämlich das Kommen von Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit (V. 7.8); und schliesslich das Gesicht von Jesus als dem Sohn des Menschen in seiner richterlichen Gestalt inmitten der goldenen Leuchter (V.9-20).

Die Grussworte

Verse 4.5. «Johannes den sieben Versammlungen, die in Asien sind: Gnade euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, und von Jesus Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der Könige der Erde!»

Wir finden hier die übliche Begrüssung: «Gnade euch und Friede.» Was wir nicht finden, ist der Zusatz «von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus», wie in den Briefen von Paulus. Im Gegenteil, Gott wird hier «der da ist und der da war und der da kommt» genannt. Das ist das neutestamentliche Gegenstück zum HERRN (Jahwe). Er ist der «Ich bin», der ewig Seiende. Deshalb finden wir hier zuerst den Ausdruck «der da ist». Doch als der «Ich bin» war Er von Ewigkeit und wird es auch in Ewigkeit sein. Darum wird hinzugefügt «und der da war und der da kommt». Der Ausdruck «der da kommt» bezieht sich nicht auf sein zukünftiges Kommen zum Gericht, sondern auf seine ewige Existenz als Der, der immer ist, immer war und immer sein wird. In dieser Art offenbart sich Gott sonst nicht im Neuen Testament. Es ist eine Rückkehr zum Charakter, in dem Er sich im Alten Testament zeigte, als Er seine Wege mit der Welt ankündigte. Es passt daher zum allgemeinen Rahmen und Thema dieses Buches, das Gottes regierungsmässiges Handeln gegenüber der Welt und gegenüber der Versammlung als einer Einheit von Bekennern in der Welt entfaltet.

Der Heilige Geist wird als die «sieben Geister, die vor seinem Thron sind» beschrieben. Danach wird für Ihn das Bild von sieben brennenden Feuerfackeln vor dem Thron, «die die sieben Geister Gottes sind», gebraucht (Kap. 4,5), wobei auf die sieben Lampen des goldenen Leuchters im Heiligtum angespielt wird. Die Zahl sieben, die so oft in diesem Buch verwendet wird, ist in der Schrift ein wohlbekanntes Symbol für himmlische Vollkommenheit. Der Geist wird hier eher in Bezug auf seinen allumfassenden Wirkungskreis betrachtet, und nicht als der eine Geist, wie Er sonst in Verbindung mit der Versammlung als Leib Christi nachdrücklich erwähnt wird. Der Platz der sieben Geister «vor seinem Thron» zeigt zudem, dass der Geist hier mit den Regierungswegen Gottes gegenüber der Welt und nicht mit der Bildung der Versammlung verbunden wird.

Ausserdem folgt in diesem Grusswort der Name von Jesus Christus nicht, wie sonst üblich, dem Namen Gottes. Er wird hier nicht in seiner Göttlichkeit gesehen, sondern als der Sohn des Menschen. Er ist «der treue Zeuge», der seinen Knechten die Offenbarung, die Er von Gott empfangen hat, weitergibt – «was er gesehen und gehört hat, dieses bezeugt er» (Joh 3,32). Doch als Mensch ist Er nun der Auferstandene, «der Erstgeborene der Toten». In diesem Charakter empfängt Er die Herrschaft und wird «der Fürst der Könige der Erde», so wie wir in Philipper 2,8-10 lesen. Weil Er in den Tod hinabstieg, «hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge». Von diesen drei Charakterzügen, die Jesus durch das ganze Buch hindurch trägt – der treue Zeuge; der Eine; der tot war, nun aber lebt; und der rechtmässige Herrscher und Richter – bezieht sich keiner ausschliesslich auf seine Verbindung mit der Versammlung. Im Gegenteil, der letzte zeigt Ihn klar als den Messias, den Mann nach den Ratschlüssen Gottes für die Regierung der Erde.

In all diesen Titeln und Attributen – sei es von Gott, vom Heiligen Geist oder von Jesus Christus – sehen wir einen Unterschied von der neutestamentlichen Stellung der Versammlung und eine Rückkehr zu den Grundsätzen, Symbolen und Beziehungen des Alten Testaments. Wir werden aus der himmlischen Haushaltung, die Paulus anvertraut wurde, zu den irdischen Ratschlüssen und Vorsätzen, die in den Psalmen und Propheten entfaltet werden, zurückgebracht. Alles das steht in vollkommener Übereinstimmung mit dem Rahmen und Charakter dieses Buches.

Doch hier folgt eine wunderschöne Unterbrechung. Obwohl das Grusswort im Stil des Alten Testaments geschrieben ist, wendet es sich an die sieben Versammlungen, und die Versammlung muss auf den Namen Jesus reagieren. Deshalb erschallt unvermittelt ein Lobgesang: «Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen» (V. 5.6).

Die Versammlung ist auf Jesus als «der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes» gebaut (Mt 16,16-18). Das Wort Vater, das in diesem Buch nie auf die Beziehung Gottes zu den Gläubigen angewendet wird, wird nur fünfmal für die Beziehung Gottes zu Christus gebraucht. Und in keiner dieser Stellen wird Christus als Richter gesehen, sondern immer in Verbindung mit der Versammlung oder seinem auserwählten Volk. Hier wird das Wort Vater in der freudigen Reaktion der Versammlung auf die Erwähnung seines Namens und seiner Titel verwendet. In den nächsten drei Stellen erscheint es in den Verheissungen an die Überwinder in den verschiedenen Versammlungen. Es wird noch einmal verwendet, und zwar in Verbindung mit dem erlösten Überrest, den 144’000, die mit dem Lamm auf dem Berg Zion stehen «und den Namen seines Vaters an ihren Stirnen geschrieben» tragen (Kap. 14,1). Dort wird Christus als Gottes gesalbter König, der in Zion thront, gesehen, in dem das Wort aus Psalm 2,7 wahr wird: «Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.»

Es ist schön zu beobachten, dass die Gläubigen selbst dann in jubelnde Freude ausbrechen, wenn sie an Jesus als den Richter denken. Für sie hat das Gericht keine Schrecken, denn sie kennen Ihn als den Einen, der sie liebt und sie in seinem Blut von ihren Sünden gewaschen hat. Das gibt dem Gewissen Frieden und dem Herzen Vertrauen. Sie können hinzufügen, «und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem Gott und Vater». Petrus nennt die Gläubigen «eine königliche Priesterschaft». Sie sind berechtigt, mit Christus zu regieren; und sie sind Priester, um «geistliche Schlachtopfer darzubringen» (1. Pet 2,5.9). Sie sind auch die Treuhänder von Gottes Ratschlüssen in Bezug auf Christus und können Ihm auch während seiner Verwerfung zurufen: «Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.»

Der Sinn des Buches

Auf die Grussworte folgt eine Feststellung des grossen Ziels, auf das das ganze Buch hinarbeitet: «Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben, und wehklagen werden seinetwegen alle Stämme des Landes. Ja, Amen» (V. 7). Dies ist nicht das Kommen des Herrn für seine Heiligen. Dann wird Er nur «denen, die ihn erwarten» erscheinen (Heb 9,28). Es ist auch nicht sein Kommen am Ende, um die Toten am grossen weissen Thron zu richten. Das Kommen, von dem hier gesprochen wird, ist jenes, das seiner tausendjährigen Herrschaft vorangeht. Später in diesem Buch wird davon berichtet.

Dies geht ganz klar aus dem Vergleich mit anderen Schriftstellen hervor. Jesus sagte zu den Juden: «Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!» (Mt 23,39). In dem vor uns liegenden Abschnitt hingegen sehen Ihn die Juden; denn «jedes Auge wird ihn sehen, auch die, die ihn durchstochen haben». Das ist ein Zitat aus dem Propheten Sacharja. Es beschreibt die Wirkung des Erscheinens von Christus auf den treuen jüdischen Überrest zum Zeitpunkt ihrer nationalen Befreiung: «Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich alle Nationen zu vertilgen suchen, die gegen Jerusalem herankommen. Und ich werde über das Haus David und über die Bewohner von Jerusalem den Geist der Gnade und des Flehens ausgiessen; und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den einzigen Sohn» (Sach 12,9.10). Dieses Zitat zeigt, dass hier von der Zeit gesprochen wird, in der die zum gottesfürchtigen jüdischen Überrest Gehörenden über ihre Sünde der Verwerfung des Messias wehklagen und Ihn als den Einen, der «da kommt im Namen des Herrn» anerkennen werden. Dann wird die Befreiung Jerusalems stattfinden, und der Segen Judas wird sich erfüllen, denn Gott wird «alle Nationen zu vertilgen suchen, die gegen Jerusalem herankommen».

Für die gottesfürchtigen Juden ist es ein Tag der Buße und der Befreiung, für die anderen jedoch ist es ein Tag des ernsten Gerichts. «Siehe, er kommt mit den Wolken» erinnert an die Worte, die zu Kajaphas und dem Synedrium (als Verkörperung der ungläubigen Masse des Volkes) gesprochen wurden und bestimmt keine Verheissung waren: «Von jetzt an werdet ihr den Sohn des Menschen zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen» (Mt 26,64). Dieses Erscheinen wird nicht nur für die Juden ein ernstes Ereignis sein. Für alle Ungläubigen, wo sie auch sein mögen, wird Er kommen «in flammendem Feuer, wenn er Vergeltung gibt denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen» (2. Thes 1,8).

«Ich bin das Alpha und das Omega, spricht der Herr, Gott, der da ist und der da war und der da kommt, der All­mäch­ti­ge» (V. 8). Hier spricht nicht Christus, sondern der Herr, Gott – Jahwe Elohim – der Allmächtige. Die Namen Gottes werden aber nicht willkürlich verwendet, sondern sie sind Titel, die genau zum Charakter passen, in dem Er jeweils handelt. In menschlichen Angelegenheiten können dieselben Personen verschieden anredet werden, je nach Beziehung, in der sie sich gerade befinden. Nehmen wir zwei Brüder, die beide im englischen Parlament sitzen, und der eine ist zudem Bürgermeister einer politischen Gemeinde. Im familiären Umfeld nennen sie sich beide beim Vornamen. In Verbindung mit seinem Amt als Bürgermeister würde der eine den anderen mit «Euer Ehren» ansprechen. Im Unterhaus würden sie voneinander als «dem ehrenwerten Mitglied» von so und so reden. Jeder Titel würde in sein Umfeld passen, aber in ein anderes Umfeld würde er absolut nicht passen. Jeder würde anhand des verwendeten Namens oder Titels erkennen, ob der Sprecher seinen Bruder als Bruder, Bürgermeister oder Parlamentsmitglied angesprochen hat. Die Schrift ist gewiss nicht weniger genau im Gebrauch der auf Gott angewandten Titel als es die Menschen untereinander sind.

Deshalb ist es wichtig zu beachten, dass viele Titel, die Gott in diesem Buch gegeben werden, sonst nirgends im Neuen Testament zu finden sind, während sie im Alten Testament immer wieder auftauchen. So wird der Name «Allmächtiger» in keinem anderen Buch des Neuen Testaments gebraucht, ausser einmal in einem Zitat. Auch der Name «Herr, Gott», der in der Offenbarung oft verwendet wird, findet sich nirgends im Neuen Testament. Ausnahmen sind Zitate aus dem Alten Testament oder Prophezeiungen – wie jene aus Sacharja –, die sich auf Israel beziehen und einen vollumfänglich alttestamentlichen Charakter tragen und auch zum grössten Teil aus alttestamentlichen Zitaten bestehen.

Was ist der Sinn der Änderung der neutestamentlichen Art, über Gott zu sprechen, und die Rückkehr zu alttestamentlichen Bezeichnungen und Titeln? Diese Titel haben eine Bedeutung. Gott sagte zu Mose: «Ich bin der HERR (Jahwe). Und ich bin Abraham, Isaak und Jakob erschienen als Gott, der Allmächtige; aber mit meinem Namen HERR habe ich mich ihnen nicht kundgegeben» (2. Mo 6,3). So war «der Allmächtige» der Titel, unter dem Gott den Bund mit Abraham einging. «HERR, Gott» (Jahwe-Elohim) war der Titel, unter dem Er einen Bund mit Israel einging. Beide Bündnisse sind mit der Erde verbunden und finden ihre Erfüllung im irdischen Reich des Messias. Die Bedeutung dieser Rückkehr zu den alttestamentlichen Titeln ist daher ausserordentlich gross. Es zeigt an, dass Gott nun zu seinen Vorsätzen in Bezug auf die Erde zurückkehrt und dass der Charakter, in dem Er sich hier offenbart, nicht derselbe ist, wie der, in dem wir Ihn heute kennen. Es ist der Charakter, den Er nach der Entrückung der Versammlung in den Himmel annehmen wird, wenn Er seine lang unterbrochenen Beziehungen mit Israel und der Welt wieder aufnimmt, um das Reich des Messias vorzubereiten.