Die Offenbarung (9)

Offenbarung 7

Einschub zwischen dem sechsten und siebten Siegel

Nach dem sechsten Siegel kommt eine Pause, während der wir einen glaubenden Überrest sehen, der auf der Erde gerettet wird. In Kapitel 6,9-11 sahen wir bereits einen anderen Überrest, der für den Himmel gerettet wurde. Der Überrest hier umfasst zwei Personengruppen: zum einen eine bestimmte Anzahl aus Israel und zum anderen eine unzählbare Schar aus den Nationen.

Der Überrest aus den 12 Stämmen Israels

«Nach diesem sah ich vier Engel auf den vier Ecken der Erde stehen, die die vier Winde der Erde festhielten, damit kein Wind wehe auf der Erde noch auf dem Meer, noch über irgendeinen Baum. Und ich sah einen anderen Engel von Sonnenaufgang heraufsteigen, der das Siegel des lebendigen Gottes hatte; und er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen es gegeben worden war, die Erde und das Meer zu beschädigen, und sagte: Beschädigt nicht die Erde noch das Meer, noch die Bäume, bis wir die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen versiegelt haben» (V. 1-3). Die vier Engel, die auf den vier Ecken der Erde stehen, sind Ausführer des Gerichts Gottes, selbst über die entferntesten Regionen der Erde. Die vier Winde stellen jene störenden Elemente dar, die in allen Gegenden vorkommen und die Gott zu Gerichtszwecken freisetzen kann. So wird Gog, die feindliche Grossmacht im Buch Hesekiel, als ein herankommender «Sturm» bezeichnet (Hes 38,9). Der HERR wird in Jesaja 32,2 als «ein Bergungsort vor dem Wind und ein Schutz vor dem Unwetter» bezeichnet, wenn Er Israel von seinen Feinden befreit.

Was bedeuten nun die Erde, das Meer und die Bäume? Die Erde wird in der Bibel als ein Bild von Völkern unter stabilen Regierungen benutzt, während das Meer die Völker in ihrer Unruhe und Unordnung darstellt. Unter den wenigen Symbolen, die in der Offenbarung erklärt werden, wird von den Wassern gesagt, dass sie «Völker und Völkerscharen und Nationen und Sprachen» sind (Kap. 17,15). Vom letzten Weltreich wird gesagt, dass es «aus dem Meer heraufsteigt» (Kap. 13,1). Die vier grossen Tiere in Daniel 7,3, die die vier grossen Weltreiche charakterisieren, steigen aus dem Meer herauf, während «die vier Winde des Himmels auf das grosse Meer» losbrechen. Das deutet auf anarchistische Zustände hin. Dieses Bild wird mehrmals benutzt. So führt es der Psalmist in Psalm 65,8 in Bezug auf den Herrn wie folgt an: «Der da stillt das Brausen der Meere, das Brausen ihrer Wellen und das Getümmel der Völkerschaften.»

Ein Baum stellt in der Bibel bildlich einen Grossen dieser Erde dar: «Der HERR der Heerscharen hat einen Tag über alles Stolze und Hohe und über alles Erhabene, und es wird erniedrigt werden; und über alle Zedern des Libanon, die hohen und erhabenen, und über alle Eichen Basans» (Jes 2,12.13).

Die Bedeutung dieser Bildersprache ist, dass Gott durch die Ausführer seiner Vorsehung, die Engel, verschiedene soziale Erschütterungen über die Nationen unter stabilen Regierungen bringen lässt, aber auch über die beunruhigten Volksmassen und über die Grossen dieser Erde.

Aber bevor diese gewaltige Umwälzung beginnt, erinnert sich Gott seiner Auserwählten und sorgt für ihre Sicherheit. Für ihre Befreiung steigt ein Engel von Osten herauf. Im Osten geht die Sonne auf. Womit werden die Versiegelten Gottes dann beschäftigt sein? Sie werden das Aufgehen der «Sonne der Gerechtigkeit mit Heilung in ihren Flügeln» erwarten (Mal 3,20). Es ist das Erscheinen des Herrn in Herrlichkeit. In der heutigen Zeitperiode darf der Gläubige nach dem hellen Morgenstern ausschauen, der den neuen Tag ankündigt. Das spricht von seinem Kommen zur Entrückung der Glaubenden. In der Zeitperiode der vorliegenden Stelle ist der Osten der Bereich der Hoffnung.

Obschon der Herr Jesus noch nicht selbst zur Rettung seines Volkes erscheint, steigt sein Engel mit dem «Siegel des lebendigen Gottes» herauf. Das ist nicht der Heilige Geist Gottes, durch den wir versiegelt worden sind auf den Tag der Erlösung (Eph 4,30). Der Heilige Geist wird dann nicht in der Weise gegeben werden wie heute. Doch der Engel, einer von diesen «dienstbaren Geistern, die ausgesandt sind zum Dienst um derer willen, die die Errettung erben sollen» (Heb 1,14), hält das Siegel des lebendigen Gottes, was die Garantie für Leben und Befreiung ist. Er versiegelt damit die Knechte Gottes an ihren Stirnen. Als der «Sohn des lebendigen Gottes» bildet Christus die Versammlung, die von den Pforten des Hades nicht überwältigt werden kann. Diese Versiegelung durch den lebendigen Gott bewahrt jene Gläubigen von Offenbarung 7 vor der Macht des Todes. Der Tod verliert seinen Schrecken für die, die hinter dem Schild des lebendigen Gottes geschützt sind.

«Und ich hörte die Zahl der Versiegelten: 144'000 Versiegelte, aus jedem Stamm der Söhne Israels. Aus dem Stamm Juda 12'000 Versiegelte, aus dem Stamm Ruben 12'000, aus dem Stamm Gad 12'000, aus dem Stamm Aser 112'000, aus dem Stamm Naphtali 12'000, aus dem Stamm Manasse 12'000, aus dem Stamm Simeon 12'000, aus dem Stamm Levi 12'000, aus dem Stamm Issaschar 12'000, aus dem Stamm Sebulon 12'000, aus dem Stamm Joseph 12'000, aus dem Stamm Benjamin 12'000 Versiegelte» (V. 4-8).

Diese Zahlen sind offensichtlich symbolischer Natur. Die Zahl zwölf ist die Zahl der vollkommenen Verwaltung. So gibt es zwölf Söhne Jakobs, zwölf Apostel und in der vorliegenden Stelle 12'000 Versiegelte aus jedem der zwölf Stämme. Weshalb der Stamm Dan nicht aufgeführt ist, kann nur vermutet werden. Der Grund ist nicht, weil dieser Stamm abgeschnitten worden wäre, denn in Hesekiel 48,1 wird in der neuen, zukünftigen Landverteilung dem Stamm Dan das nördlichste Gebiet zugeteilt. Aus historischer Sicht repräsentiert Dan den gläubigen Überrest aus Israel in der Anfangszeit der Versammlung. Doch die historische Seite ist, wie bereits erwähnt, zweitrangig. Die wesentliche Erfüllung dieser Prophezeiung liegt noch in der Zukunft. Was aber aus diesen Versen klar wird, ist, dass vor den Nöten, die nach dem sechsten Siegel über die Erde hereinbrechen werden, ein Überrest aus den zwölf Stämmen Israels von Gott besonders bezeichnet wird, um durch die Gerichte hindurch gerettet zu werden.

Eine Volksmenge von Bewahrten aus den Nationen

«Nach diesem sah ich: Und siehe, eine grosse Volksmenge, die niemand zählen konnte, aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen, und sie standen vor dem Thron und vor dem Lamm, bekleidet mit weissen Gewändern, und Palmen waren in ihren Händen. Und sie rufen mit lauter Stimme und sagen: Das Heil sei unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm!» (V. 9.10).

Diese Menge ist mit weissen Kleidern bekleidet, dem Symbol für Gerechtigkeit. Sie halten als Siegeszeichen Palmen in ihren Händen. Ihr Lobgesang, der Gott gilt, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm, unterscheidet sich sehr von dem der Versammlung, der in Kapitel 1,5 lautet: «Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden gewaschen hat in seinem Blut.» Auch der Lobpreis der Ältesten in Kapitel 5,9 ist anders: «Denn du bist geschlachtet worden und hast für Gott erkauft, durch dein Blut, aus jedem Stamm.»

Die Überwinder in der vorliegenden Stelle sagen nichts über das Blut oder über die Errettung. Sie schreiben einfach das Heil Gott auf seinem Thron und dem Lamm zu. Aber nachher sehen wir, dass «sie ihre Gewänder gewaschen haben und sie weiss gemacht haben in dem Blut des Lammes» (V. 14). Warum wird in ihrem Lobgesang dieses Thema ausgelassen?

Dies ergibt sich aus ihren Umständen. Der Thron, vor dem sie stehen, ist kein Thron der Gnade, sondern der Gerechtigkeit. Das Lamm ist hier nicht das Opferlamm für die Sünde, sondern der Gerichtsvollstrecker. Wie die Seelen unter dem Altar gebetet haben, dass ihr Blut gerächt werden solle (Kapitel 6,10), so haben diese Gläubigen um Befreiung von ihren Feinden durch das Gericht gebeten. Das Erscheinen Christi bedeutet für sie die Befreiung aus ihrer irdischen Bedrängnis und das Erlangen von irdischem Segen. Der prophetische Blick richtet sich auf das vollständige Ergebnis dieser Befreiung. Dann steigt der Lobpreis dieser Gläubigen zu Gott und dem Lamm auf, die so zu ihrer Errettung eingegriffen haben. Die Gnade Gottes, die seinen Sohn gab, oder die Liebe Christi, die sie durch sein Blut erlöste, steht hier nicht im Vordergrund ihrer Gedanken. Es geht vielmehr um die befreiende Macht, die im Gericht für sie dazwischen trat. Das ist häufig das Thema der Psalmen. «Denn du wirst machen, dass sie umkehren, wirst deine Sehne gegen ihr Angesicht richten. Erhebe dich, HERR, in deiner Kraft! Wir wollen singen und Psalmen singen deiner Macht» (Ps 21,13.14).

Die Antwort der Engel auf den Ruf dieser Volksmenge zeugt von einer ähnlichen Haltung. «Und alle Engel standen um den Thron her und um die Ältesten und die vier lebendigen Wesen, und sie fielen vor dem Thron auf ihre Angesichter und beteten Gott an und sagten: Amen! Die Segnung und die Herrlichkeit und die Weisheit und die Danksagung und die Ehre und die Macht und die Stärke sei unserem Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen» (V. 11.12). Vergleichen wir diesen Lobgesang mit dem der Engel in Kapitel 5, findet sich hier kein Hinweis auf «das Lamm, das geschlachtet worden ist», als vorherrschendes Thema. Ohne Zweifel wird Christus als Mensch das Königtum unter diesem Titel antreten. Hier aber bildet nicht der Titel der Gegenstand des Lobgesangs, sondern die Tatsache, dass das Reich aufgerichtet worden ist. Die Engel preisen Gott dafür, dass sein Reich endlich in Macht und Herrlichkeit aufgerichtet worden ist, während die Befreiung aufgrund dieser Macht der Gegenstand des Dankes der Palmen tragenden Volksmenge ist.

Aber der wahre Charakter dieser Szene entfaltet sich im Folgenden: «Und einer von den Ältesten hob an und sprach zu mir: Diese, die mit den weissen Gewändern bekleidet sind, wer sind sie, und woher sind sie gekommen? Und ich sprach zu ihm: Mein Herr, du weisst es. Und er sprach zu mir: Dies sind die, die aus der grossen Drangsal kommen, und sie haben ihre Gewänder gewaschen und haben sie weiss gemacht in dem Blut des Lammes» (V. 13.14). Diese Überwinder sind Personen, die aus «der grossen Drangsal» kommen. Damit wird eine Zeitperiode bezeichnet, die ebenso klar bestimmt ist wie der Tag des Herrn oder jede andere biblische Zeitperiode. Die grosse Drangsal wird auch in Jeremia erwähnt, wo sie als «eine Zeit der Drangsal für Jakob» bezeichnet wird, aus der Israel gerettet wird (Jer 30,7). In Daniel 12,1 wird diese Zeitperiode, die auch unser Herr erwähnt hat und dabei ihre beispiellose Prägung betonte, angeführt: «Es wird eine Zeit der Drangsal sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht bis zu jener Zeit. Und in jener Zeit wird dein Volk errettet werden, jeder, der im Buch geschrieben gefunden wird.»

Dies ist die grosse Drangsal, aus der diese Gläubigen aus den Nationen kommen. Die Leiden dieser Drangsal, die eigentlich für Israel bestimmt sind, erstrecken sich «über den ganzen Erdkreis, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen» (Kap. 3,10). Die Versammlung wird niemals durch die «Stunde der Versuchung» zu gehen haben. Hier handelt es sich um Gläubige, die nach der Entrückung der Versammlung auf der Erde leben und auf den Messias warten werden. Obschon sie nicht aus dem Volk Israel sind, werden sie sich auf die Verheissung von Joel 3,5 stützen, die besonders für jene Zeit gilt: «Jeder, der den Namen des HERRN anrufen wird, wird errettet werden.» Ihre Gewänder sind gewaschen und weiss gemacht im Blut des Lammes (V. 14).

Weshalb wird die «grosse Drangsal» hier erwähnt? Und warum werden uns solche gezeigt, die diese siegreich überlebt haben? Die Einführung dieses Themas wäre völlig sinnlos, wenn die Berichterstattung uns nicht an den Anfang dieser schrecklichen Epoche führen würde. Die Strafgerichte, die unter den ersten sechs Siegeln beschrieben werden, entspringen, obwohl schrecklich in ihrer Natur, der Vorsehung Gottes. Sie stellen aber erst den «Anfang der Wehen» dar. Die schwereren Strafgerichte der grossen Drangsal stehen kurz davor zu beginnen. Und da werden vorgängig zwei Tatsachen hervorgehoben. Die eine ist das Versiegeln einer bestimmten symbolischen Anzahl Personen aus den zwölf Stämmen Israels. Sie werden durch diese schrecklichen Strafgerichte hindurch bewahrt werden. Die andere Tatsache ist, dass auch eine grosse Volksmenge aus den Nationen durch diese Zeitperiode hindurchgerettet und in den Genuss einer besonderen Gunst Gottes kommen wird.

Alles stimmt mit den Wegen des Handelns Gottes mit der Erde nach der Entrückung der Versammlung überein. Der besondere Segen für die Versammlung besteht darin, dass sie nicht in die Drangsalszeit kommen wird. Der besondere Segen derer, die hier genannt werden, ist, dass sie siegreich aus dieser Periode hervorgehen werden. Ihr Lobgesang ist auch sehr verschieden von dem der Versammlung. Er bezieht sich nicht auf die Erlösung durch Christi Blut, sondern auf die Rettung mittels seiner Macht. Es ist ein lauter Jubel von Menschen, die nicht von ihren Sünden, sondern von ihren Unterdrückern befreit worden sind. Überdies ist die Versammlung aus einem Überrest aus Israel und aus Erlösten aus den Nationen gebildet worden. Nach ihrer Bekehrung sind diese Glaubenden durch einen Geist zu einem Leib getauft worden (1. Kor 12,13). Sie sind in Christus zu einem neuen Menschen geschaffen worden (Eph 2,15). In der vorliegenden Stelle aber wird denen aus Israel der Vorrang gegeben und die unterschiedliche Handlungsweise Gottes in Bezug auf Israel und in Bezug auf die Nationen betont. Die 144’000 werden als Bevorrechtigte der besonderen Fürsorge Gottes im Voraus versiegelt. Die Übrigen (jene aus den Nationen) erscheinen am Ende jener Zeit, wenn die Zeichen des Sieges an ihnen gesehen werden. Dies ist naheliegend, denn in den Strafgerichten, die dem Reich des Messias vorausgehen werden, ist Israel der besondere Gegenstand des Plans und der Liebe Gottes. Die vorausgehende Versiegelung entspricht ganz den Grundsätzen, nach denen Er dann handeln wird. Es ist ebenso folgerichtig, dass eine Menge aus den Nationen gerettet wird, obwohl diese nicht besonders gekennzeichnet ist.

Da diese Gläubigen, die mit weissen Gewändern bekleidet sind und Palmen in ihren Händen halten, vor dem Thron und vor dem Lamm stehen, könnte man denken, diese müssten im Himmel sein, anstatt als ein geretteter Überrest auf der Erde leben. Es ist zu bedenken, dass diese Szene symbolisch ist. So betrachtet, stimmt sie mit dem Aufenthalt auf der Erde überein. Wenn sie ihre Kleider auf dieser Erde gewaschen und weiss gemacht haben, warum sollten sie diese dann nicht auf der Erde tragen? Wenn sie auf dieser Erde Überwinder sind, warum sollten sie die Palmen nicht auch auf der Erde tragen?

Von den Volksmengen im Himmel wird gesagt, dass sie rings um den Thron stehen. Von diesen aber wird gesagt, dass sie vor dem Thron sind. Diese Stellung deutet nicht darauf hin, dass sie sich im Himmel befinden. Während der Regierungszeit von Christus wird Gott seinen irdischen Thron haben, und die Herrlichkeit von Christus wird auf der Erde sichtbar sein. Selbst heute können Gläubige freimütig vor den Thron der Gnade treten, ohne im Himmel zu sein. Eine ähnliche Sprache scheint auch für die Gläubigen jener Zeit verwendet zu werden. «Vor dem Thron» und «vor dem Lamm zu stehen» weist einfach auf einen besonders nahen Zugang zu Gott hin, so wie auch Mose ihn kannte.

Der Zusammenhang, in dem diese Menschen erwähnt werden, bestärkt diese Auffassung. Die 144'000 Versiegelten aus Israel sind offensichtlich befreit und für irdischen Segen vorgesehen, denn der Zweck ihrer Versiegelung besteht in der Bewahrung vor den Strafgerichten. Obschon die Volksmenge aus den Nationen daneben besonders erwähnt wird, zeigt doch ihre Verbindung mit den Israeliten, dass sie einen weiteren, äusseren Kreis um den Kern der Versiegelten bilden. Die Worte «die aus der grossen Drangsal kommen», können sich nur auf Personen beziehen, die diese Zeit überlebt haben, und nicht auf solche, die darin umgekommen sind. Befreiung bedeutet in diesem Zusammenhang, mit dem Leben davon kommen, anstatt den Tod zu erleiden. Überdies wird der Märtyrertod der Seelen, die sich unter dem Altar befinden, und derer, die später vom Tier getötet werden, besonders erwähnt. In Kapitel 20,4-6 werden sie als solche gesehen, die lebendig wurden und mit dem Christus herrschten und teilhaben an der ersten Auferstehung. Nichts von alledem wird hier bei der weiss bekleideten Volksmenge aus den Nationen erwähnt. Wenn sie sich den Ältesten und Engeln im Himmel angeschlossen hätten, gäbe es sicher einen Hinweis auf ihre Anwesenheit dort. Aber die Personengruppe im Himmel in diesem Kapitel ist dieselbe wie zuvor; nichts deutet darauf hin, dass eine weitere Gruppe dazugekommen wäre.

Diese unzählbare Volksmenge aus den Nationen stellt die Gläubigen dar, die während der grossen Drangsal an das Kommen des Messias geglaubt haben und schliesslich nach schweren Leiden mit ihrem Leben davonkommen. Ihre Belohnung wird in Vers 15 erwähnt: «Darum sind sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel; und der, der auf dem Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen errichten.» Dies bedeutet nicht, dass sie sich im Himmel aufhalten. Die betagte Anna in Lukas 2,37 wich nicht vom Tempel, «indem sie Nacht und Tag mit Fasten und Flehen diente». Das Verlangen des gläubigen Überrests, sich im Tempel Gottes aufzuhalten, zieht sich wie ein roter Faden durch die Psalmen: «Wie lieblich sind deine Wohnungen, HERR der Heerscharen! Es sehnt sich, ja, es schmachtet meine Seele nach den Vorhöfen des HERRN; mein Herz und mein Fleisch rufen laut nach dem lebendigen Gott» (Ps 84,2.3). Der damit verbundene Segen steht deshalb in völliger Übereinstimmung mit dem Verlangen der Gläubigen im Tausendjährigen Reich.

Die Gläubigen im Himmel halten sich im Haus des Vaters oder bei Christus auf. Von ihnen wird aber nicht gesagt, dass Gott ein Zelt über ihnen errichtet habe. Dies hat Er in der Wolkensäule während der Wüstenwanderung getan. Dies wird Er wieder tun, wie Jesaja 4,5.6 zeigt: «Der HERR wird über jede Wohnstätte des Berges Zion und über seine Versammlungen eine Wolke und einen Rauch schaffen bei Tag, und den Glanz eines flammenden Feuers bei Nacht; denn über der ganzen Herrlichkeit wird eine Decke sein. Und eine Hütte wird sein zum Schatten bei Tag vor der Hitze und zur Zuflucht und zur Bergung vor Sturm und vor Regen.» Der verheissene Segen, den diese grosse Volksmenge geniessen wird, entspricht also dem, was der Erde im Tausendjährigen Reich verheissen ist.

«Sie werden nicht mehr hungern und nicht mehr dürsten, noch wird je die Sonne auf sie fallen, noch irgendeine Glut; denn das Lamm, das in der Mitte des Thrones ist, wird sie weiden und sie leiten zu Quellen der Wasser des Lebens, und Gott wird jede Träne von ihren Augen abwischen» (V. 16.17). Das sind herrliche Segnungen, die sich aber mehr auf irdische Gläubige beziehen als auf himmlische. Im ewigen Zustand wird Gott «jede Träne von ihren Augen abwischen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein» (Kap. 21,4). Tränen, Trauer, Schmerz und Tod werden nicht mehr existieren. Die Segnungen für die Volksmenge aus den Nationen werden sich hingegen mehr auf die Bewahrung vor Ungemach und Schutz vor Bösem beziehen. Sie werden nicht mehr hungern und dürsten. Für ein irdisches Volk, das gerade von seinen Leiden befreit worden ist, das sich aber immer noch am Ort, wo diese Bedrängnis stattgefunden hat, befindet, sind diese Verheissungen wunderbar. Sie entsprechen aber nicht denen, die im Haus des Vaters wohnen.

Diese Verheissungen gelten auch dem irdischen Volk während der Regierung des Herrn Jesus auf dieser Erde. Denn Er wird kommen, «um den Gefangenen zu sagen: Geht hinaus!, zu denen, die in Finsternis sind: Kommt ans Licht! Sie werden an den Wegen weiden, und auf allen kahlen Höhen wird ihre Weide sein; sie werden nicht hungern und nicht dürsten, und weder Luftspiegelung noch Sonne wird sie treffen. Denn ihr Erbarmer wird sie führen und wird sie zu Wasserquellen leiten» (Jes 49,9.10). Dies ist keine Verheissung für den Himmel, sondern sie gilt dem wiederhergestellten Volk Israel. Sie wird in Vers 26 fortgesetzt: «Ich werde deine Bedrücker speisen mit ihrem eigenen Fleisch, und von ihrem Blut sollen sie trunken werden wie von Most. Und alles Fleisch wird erkennen, dass ich, der HERR, dein Erretter bin, und ich, der Mächtige Jakobs, dein Erlöser.» Obschon diese Prophezeiungen über Israel ausgesprochen worden sind, kommt auch die Volksmenge aus den Nationen in deren Genuss, wie auch Jesaja 49,6 zeigt: «Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen. Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um meine Rettung zu sein bis an das Ende der Erde.»

Mit Bezug auf die Zeitperiode, wann «der HERR der Heerscharen als König auf dem Berg Zion und in Jerusalem herrscht», wird angeführt, dass Er «auf diesem Berg den Schleier vernichten wird, der alle Völker verschleiert, und die Decke, die über alle Nationen gedeckt ist. Den Tod verschlingt er für immer; und der Herr, HERR, wird die Tränen von jedem Angesicht abwischen, und die Schmach seines Volkes wird er wegnehmen von der ganzen Erde» (Jes 24,23; 25,7.8). Die Erfüllung dieser Prophezeiung liegt weder in der Zeitperiode der Versammlung noch im ewigen Zustand. Sie spielt sich auch nicht im Himmel ab. Sie betrifft das Volk, das während der gesegneten Herrschaft des Herrn Jesus auf dieser Erde leben wird, nachdem Er seine Feinde besiegt haben wird.

Ein Blick zurück auf dieses und das vorhergehende Kapitel macht den Zusammenhang und die Bedeutung klar. Die ersten sechs Siegelgerichte werden auf die Entrückung der Versammlung folgen. Danach wird die «grosse Drangsal» beginnen. Zu diesem Zeitpunkt denkt Gott an seine Auserwählten aus Israel. Das Gericht steht gewissermassen still, bis sie versiegelt sind. Seine Gnade umfasst aber auch die Volksmenge aus den Nationen. Diese Menschen werden zwar nicht als besondere Gegenstände seines Handelns versiegelt wie die Israeliten. Der Ausblick geht aber bis zum Ende der Drangsalszeit, wo diese weiss gekleidet und mit Palmen als Siegeszeichen in den Händen einen nahen Zugang zu Gott sowie seine besondere Fürsorge und Gunst während des Tausendjährigen Reichs geniessen. Dieser Einschub stellt nicht, wie einige glauben, eine Unterbrechung des ordentlichen Laufs der Ereignisse dar. Er markiert das Ende der ersten sechs leichteren Strafgerichte unter den ersten sechs Siegeln. Dann zeigt er Gottes gnädige Fürsorge für seine Auserwählten, die durch die folgenden schwereren Gerichte gehen müssen. In Matthäus 24,8 wird dieser Wendepunkt mit dem «Anfang der Wehen» bezeichnet, der in die «grosse Drangsal» mündet.