Die Offenbarung (16)

Offenbarung 13,1-10

Der Bedrücker aus den Nationen

Wir haben in Kapitel 12 den Drachen in direkter Feindschaft zur Frau gesehen. Aber Kapitel 13 zeigt uns, dass er hinter der Szene durch seine Mittelsmänner wirkt, denn Satan sucht immer mit List zu operieren und selbst unbeachtet zu bleiben. Obschon das Ende seines tödlichen Einflusses naht, ist er immer noch der Gott dieser Welt. Er nutzt die ihm verbleibende Zeit mit furchterregender Energie, um sein Meisterwerk von Betrug und Bosheit zu vollenden.

Gott hat ein Volk, das Er über alle Nationen der Erde setzen will. Satan will ebenfalls ein solches Volk haben. Gott hat einen gesalbten Herrscher über die Welt, den Er mit seiner eigenen Autorität ausstatten wird. Satan will auch einen solchen Herrscher haben. Gott hat seinen Christus – das Lamm –, den Er als Befreier Israels einführen wird. Satan wird seinen Antichristen – sein falsches Lamm – haben, der vorgeben wird, ebenfalls der Befreier Israels zu sein. Dieses Handeln Satans ist eine grässliche Imitation der Pläne Gottes. Das kommt im Folgenden vor uns.

«Und ich stand auf dem Sand des Meeres. Und ich sah aus dem Meer ein Tier heraufsteigen, das zehn Hörner und sieben Köpfe hatte, und auf seinen Hörnern zehn Diademe, und auf seinen Köpfen Namen der Lästerung. Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Leoparden, und seine Füsse waren wie die eines Bären, und sein Maul war wie das Maul eines Löwen. Und der Drache gab ihm seine Macht und seinen Thron und grosse Gewalt. Und ich sah einen von seinen Köpfen wie zum Tod geschlachtet. Und seine Todeswunde wurde geheilt, und die ganze Erde verwunderte sich über das Tier» (Off 12,18 – 13,3).

Jeder Leser wird über die Ähnlichkeit der vorliegenden Vision mit der des Propheten Daniel erstaunt sein. «Siehe, die vier Winde des Himmels brachen los auf das grosse Meer. Und vier grosse Tiere stiegen aus dem Meer herauf, eins verschieden vom anderen. Das erste war gleich einem Löwen … Und siehe, ein anderes, zweites Tier, gleich einem Bären … Nach diesem schaute ich, und siehe, ein anderes, gleich einem Leoparden … Nach diesem schaute ich in Gesichten der Nacht: Und siehe, ein viertes Tier, schrecklich und furchtbar und sehr stark …, und es hatte zehn Hörner» (Dan 7,2-7).

In beiden Visionen steigen die Tiere aus dem Meer herauf. Es ist das ums Überleben kämpfende, formlose Völkermeer, das sich noch nicht in zusammenhängende politische Gemeinschaften zusammengeschlossen hat. Aus ihm stiegen einst sowohl das Römische Reich als auch die anderen heidnischen Reiche auf. Das Tier in der Offenbarung vereinigt in seinem Wesen den Löwen, den Bären, den Leoparden und auch das vierte Tier von Daniels Vision, während es dem Drachen mit seinen sieben Köpfen und zehn Hörnern gleicht. Es verfügt über die Schnelligkeit der Mazedonier (Griechen), die Gier der Perser, die Grausamkeit der Babylonier sowie die Stärke des Römischen Reiches. Alle diese Wesenszüge sind durch satanische Grundsätze und seine Energie inspiriert.

Aber obwohl es in der Nachfolge der heidnischen Mächte steht und verschiedene moralische Gemeinsamkeiten mit den vier Mächten aufweist, folgt es direkt auf das letzte (das Römische Reich). Wir haben bereits gesehen, dass das Tier – wie das kleine Horn von Daniel – der wieder entstehenden Form des Römischen Reichs entspricht, das die Welt kurz vor dem Kommen des Herrn Jesus zur Errichtung seines Reichs überraschen wird. Wir lesen in Offenbarung 17,10.11 von sieben Königen: «Fünf von ihnen sind gefallen, der eine ist da, der andere ist noch nicht gekommen; und wenn er kommt, muss er eine kurze Zeit bleiben. Und das Tier, das war und nicht ist, er ist auch ein achter und ist von den sieben und geht ins Verderben.» Die Könige in dieser Stelle deuten auf Regierungschefs oder Formen von Regierungsgewalten hin. Im Römischen Reich gab es im Lauf der Zeit verschiedene Regierungsformen. Hier ist die Rede von fünf. Die sechste Form, das Kaisertum, existierte zur Zeit von Johannes. Eine siebte sollte kommen und für eine kurze Zeit bestehen. Die letzte Form des Reichs, die vom Tier verkörpert werden wird, ist die achte «und ist von den sieben und geht ins Verderben».

Der Kopf mit der Todeswunde (V. 3) scheint die siebte gewesen zu sein. Von jener Zeit an bis jetzt ist es aus dem Blickfeld verschwunden. Doch die tödliche Wunde wird heilen, und die ganze Welt wird sich verwundern. Das lange Zeit untergegangene Reich wird als unmittelbare Nachfolgerin der verschiedenen früheren Formen der römischen Herrschaft wiedererstehen, was weltweite Aufmerksamkeit erregen wird. Sein Anführer wird von Satan mit aller Macht, Würde und Autorität ausgestattet werden, die er als Gott dieser Welt verleihen kann. Wir erkennen, dass die letzte Form der Herrschaft der Nationen aus dem Abgrund aufsteigen wird. Sie wird das Aussehen des Drachen annehmen und sich auf dessen Thron setzen. Dieses Reich wird satanischen Ursprungs sein, einen satanischen Charakter aufweisen und satanische Gewalt ausüben.

Diese erschreckende Macht des Bösen während der letzten Tage der Wehe über die Erde wird noch in anderer Form gezeigt. Satan und seine menschlichen Werkzeuge werden zu Gegenständen religiöser Anbetung. «Und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Gewalt gab, und sie beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen?» (V. 4). Was für ein schrecklicher Kommentar über unser Zeitalter des Fortschritts und der Zivilisation sind doch die Worte des lebendigen Gottes, die uns sagen, wo dies alles enden wird! Die Energie und der Eigenwille des Menschen werden ihn nur zu einem Werkzeug Satans machen. Der Mensch denkt, er sei frei, wenn er Gottes Joch abschüttelt. Er träumt, er sei der Sklaverei entflohen, während er sich in die Sklaverei der Sünde begeben hat. Christus war gekommen, um aus der Gewalt der Finsternis zu befreien. Aber wenn die Menschen die Finsternis mehr lieben als das Licht, bleiben sie unter diesem schrecklichen Joch. Die Folge davon ist, dass Gott sie hingegeben hat und Satan ihr uneingeschränkter Herr geworden ist. «Indem sie sich für Weise ausgaben, sind sie zu Toren geworden» (Röm 1,22). Das schreckliche Ende, das hier gezeigt wird, ist nichts anderes, als dass sich Satan an Gottes Stelle setzen wird. Die Menschen werden sich vor dem Betrüger und Zerstörer der Seelen niederbeugen. Sie werden «dem Geschöpf Verehrung und Dienst darbringen anstatt dem Schöpfer, der gepriesen ist in Ewigkeit» (Röm 1,25).

Solange der Heilige Geist auf der Erde ist, wird die Macht des Bösen eingeschränkt sein, so dass das Geheimnis der Gesetzlosigkeit – obschon es bereits wirksam ist – die Schranken, die Gott ihm gesetzt hat, nicht durchbrechen kann. Aber wenn die Versammlung durch Christus entrückt worden ist, wird der Heilige Geist nicht mehr länger auf der Erde wohnen. Dann wird der, «der zurückhält, aus dem Weg sein» (2. Thes 2,7). So wird der menschliche Eigenwille nicht mehr länger durch den Heiligen Geist zurückgehalten werden, während Satan seine Bosheit verdoppeln wird, «da er weiss, dass er wenig Zeit hat». Kein Wunder, dass dann die menschliche Vermessenheit und Auflehnung gegenüber Gott zu einem unaufhaltsamen Strom werden wird, der alle Hindernisse in seinem Lauf niederreissen wird.

Wie lange hat sich Gottes Gnade um den Menschen bemüht! Wie ernst sind die Einladungen, wie feierlich die Warnungen, wie zärtlich die Aufrufe, die aus Gottes Herz zu einer verlorenen Welt ausgegangen sind! Aber alles ist vergeblich! «Ein Mann, der, oft zurechtgewiesen, den Nacken verhärtet, wird plötzlich zerschmettert werden ohne Heilung» (Spr 29,1). Gott lässt den Menschen schliesslich die bitteren Früchte seiner eigenen Bosheit und Torheit ernten. Die Ungerechtigkeit wird für eine Zeit ungehindert ihren zerstörerischen Weg nehmen können.

«Und ihm wurde ein Mund gegeben, der grosse Dinge und Lästerungen redete; und ihm wurde Gewalt gegeben, 42 Monate zu wirken. Und es öffnete seinen Mund zu Lästerungen gegen Gott, seinen Namen zu lästern und seine Hütte und die, die ihre Hütte in dem Himmel haben. Und ihm wurde gegeben, mit den Heiligen Krieg zu führen und sie zu überwinden; und ihm wurde Gewalt gegeben über jeden Stamm und jedes Volk und jede Sprache und jede Nation. Und alle, die auf der Erde wohnen, werden es anbeten, jeder, dessen Name nicht geschrieben ist in dem Buch des Lebens des geschlachteten Lammes von Grundlegung der Welt an» (V. 5-8).

Heute sehen wir oft, wie Gott ignoriert wird und der Gottlose seinen Lauf der Sünde und Torheit verfolgt, indem er in seinem Herzen sagt: «Es ist kein Gott!» Doch im vorliegenden Abschnitt ist das Böse fortgeschritten. Die Zeit wird kommen – wir wissen nicht, wie bald sie anbrechen wird –, da der grosse Weltdiktator den Teufel als den alleinigen Gott anerkennen wird. Dann wird Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde, verspottet und gelästert werden. Der Himmel und alles, was in ihm ist, wird Zielscheibe des Spottes und Hasses vonseiten des «Menschen, der von der Erde ist» (Ps 10,18) sein. Sein Herz wird von Satans Täuschungen und Lügen betrogen werden. Selbstüberhebung und Gotteslästerung sind die erbärmliche Torheit dieses eitlen Werkzeugs von Satan. In seiner vermeintlichen Sicherheit und Kraft denkt er nicht im Traum daran, welch schreckliches Schicksal ihn erwartet. Seine Herrschaft wird eine kurze Zeit von 42 Monaten dauern. Solange wird Israel durch Prüfungen gehen, solange wird Satan seinem eigenen Weg folgen und solange zeigt sich, was der Mensch ist, wenn er dem Wirken seines eigenen Herzens überlassen ist.

Während dieser Zeit wird Gott sein eigenes Volk im «Schmelzofen des Elends» prüfen (Jes 48,10). Er lässt die sengenden Strahlen der Wut des Tieres auf sie fallen, um sie von jeder Schlacke zu reinigen. Der Krieg gegen diese Heiligen wird erfolgreich und der Triumph des Tieres scheint vollständig zu sein. Alle werden das Tier anbeten ausser den Auserwählten Gottes, deren Namen von Grundlegung der Welt an im Buch des Lebens des geschlachteten Lammes eingeschrieben sind.

An dieser Stelle erkennen wir erneut die Ähnlichkeit zwischen dem Tier und dem kleinen Horn in Daniel. Das kleine Horn wird Krieg gegen die Heiligen führen und sie besiegen (Dan 7,21). Dem Tier wird ebenfalls gegeben, mit den Heiligen Krieg zu führen und sie zu überwinden. Das kleine Horn wird Worte gegen den Höchsten reden (Dan 7,25). Das Tier wird seinen Mund zu Lästerungen gegen Gott öffnen. Die Herrschaft des kleinen Horns wird «eine Zeit und Zeiten und ein halbe Zeit» dauern (Dan 7,25). Die Herrschaft des Tieres wird 42 Monate dauern, was nur eine andere Zeitangabe für die gleiche Zeitspanne wie in Daniel ist.

In der Zwischenzeit steigen die Gebete der verfolgten Gläubigen auf, wie wir sie in manchen Psalmen finden.

Aber ein Wort der Tröstung wird in dieser schrecklichen Szene angeführt: «Wenn jemand ein Ohr hat, so höre er! Wenn jemand in Gefangenschaft führt, so geht er in Gefangenschaft; wenn jemand mit dem Schwert töten wird, so muss er mit dem Schwert getötet werden. Hier ist das Ausharren und der Glaube der Heiligen» (V. 9.10).

Für jemand, der zwischen Gottes Wegen im Gericht und seinen Wegen der Gnade unterscheiden kann, ist es offensichtlich, wie solche Worte mit den ersteren übereinstimmen und sich von den letzteren unterscheiden. Stephanus handelte in Übereinstimmung mit Gottes Gnadenwegen. Welchen Trost hätte es ihm gegeben, als er für seine Verfolger betete, wenn ihm gesagt worden wäre, diese würden gesteinigt werden? Im vorliegenden Abschnitt befinden wir uns aber in einer anderen Heilsperiode. Sie steht in Verbindung mit Gottes Wegen im Gericht. Daher wird den Gläubigen verheissen, dass ihre Verfolger bald vernichtet werden, dass der, der sie in Gefangenschaft geführt hat, selbst gefangen genommen werden wird und dass der, der sie mit dem Schwert tötet, selbst mit dem Schwert getötet werden wird. Das ist es, was während dieser kurzen Zeit von Not und Verfolgung das Ausharren und den Glauben der Gläubigen aufrecht halten wird.