Die Offenbarung (21)

Offenbarung 15

Die Schalengerichte

Das Kapitel 14 ist eine Einschaltung. Nachdem Gott uns in Kapitel 13 die Wege des Menschen auf der Erde aufgezeigt hat, wendet Er sich etwas anderem zu. Er zeigt uns seine Pläne, bevor diese vollzogen werden. Er nimmt uns in Gedanken in jene zukünftige Zeit mit, damit wir sehen, was das gesegnete Teil der Gläubigen sein wird, die in jener Zeit der Verfolgung des Tieres lebend entkommen werden.

Nachdem Er seinen Anspruch auf Anbetung als Schöpfer und Richter geltend gemacht hat, kündigt Er das Unheil an, das über Babylon und die Anhänger des Tieres kommen wird. Gleichzeitig verheisst Er den Märtyrern, die in dieser Zeitperiode für ihre Treue zum Herrn umgebracht werden, einen besonderen Segen.

Schliesslich erklärt Er, wie Er mit den Nationen handeln wird, sei es im allgemeinen Gericht, das mit der Getreideernte zu vergleichen ist, oder im schonungslosen Gericht, wie es in der Weinlese vorgebildet wird.

Nachdem Gott in Kapitel 14 seine allgemeinen Pläne gezeigt hat, nimmt Er nun den Faden der Erzählung der Ereignisse wieder auf. Zuerst haben wir die letzte Reihe von vorbereitenden Gerichten, die der Erscheinung des Sohnes des Menschen vorausgehen (Kap. 15 und 16). Dann wird der Fall Babylons ausführlich beschrieben (Kap. 17 und 18). Zuletzt folgt das Gericht über das Tier und den falschen Propheten beim Kommen des Herrn in Macht und Herrlichkeit (Kap. 19).

Es gibt jedoch noch einen anderen Gegenstand, der für das Herz des Herrn wichtig ist, den Er auch behandelt. Es geht um die Glückseligkeit der Märtyrer, d.h. der «Toten, die im Herrn sterben», die in Kapitel 14 kurz erwähnt wurden. Obwohl jetzt auf die letzten Plagen Bezug genommen wird, gibt es nochmals einen Unterbruch, bevor der schreckliche Charakter der Schalengerichte detailliert geschildert wird. In dieser willkommenen Unterbrechung dürfen wir einen Blick auf die Überwinder werfen, die sich geweigert haben, das Tier anzubeten, und dafür ihr Leben lassen mussten. Wir sehen sie jetzt in der Gegenwart Gottes.

Die Mitteilung im 15. Kapitel beginnt mit den Worten: «Und ich sah ein anderes Zeichen in dem Himmel, gross und wunderbar: Sieben Engel, die sieben Plagen hatten, die letzten; denn in ihnen ist der Grimm Gottes vollendet» (V. 1).

Wir können daraus erkennen, dass der Abschluss der vorausgehenden Gerichte ganz nahe bevorsteht. Doch nachdem dieser Meilenstein gesetzt worden ist – um uns zu zeigen, wo wir uns befinden –, führt uns der Heilige Geist zur Seite, um eine andere Szene zu betrachten.

Die «glückseligen Toten» im Himmel

(Kap. 15,2-4)

«Und ich sah etwas wie ein gläsernes Meer, mit Feuer gemischt, und sah die Überwinder über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens an dem gläsernen Meer stehen, und sie hatten Harfen Gottes. Und sie singen das Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes und sagen: Gross und wunderbar sind deine Werke, Herr, Gott, Allmächtiger, gerecht und wahrhaftig deine Wege, o König der Nationen! Wer sollte nicht dich, Herr, fürchten und deinen Namen verherrlichen? Denn du allein bist heilig; denn alle Nationen werden kommen und vor dir anbeten, denn deine gerechten Taten sind offenbar geworden» (V. 2-4).

Es handelt sich hier nicht um eine Vision über irdische Segnungen, denn das «gläserne Meer, gleich Kristall» befindet sich – wie wir aus Kapitel 4,6 wissen – vor dem Thron im Himmel. Auf der Erde braucht es Reinigung. Dort ist das kupferne Meer (1. Kön 7,23) mit Wasser gefüllt. Im Himmel aber ist die Reinheit vollkommen und unveränderlich. Sie kann durch nichts mehr beschmutzt werden. In unserer Stelle ist das Meer mit Feuer gemischt, was wahrscheinlich auf die heftigen und heissen Prüfungen hindeutet, durch die die Überwinder gehen mussten. Die Reinheit, die sie nun erlangt haben, wurde durch das Feuer, in dem sie wie Gold geläutert worden sind, erreicht.

Diese Überwinder haben den Sieg über das Tier erlangt. Welch ein Wechsel! Aus menschlicher Sicht betrachtet hat das Tier mit ihnen Krieg geführt und sie besiegt. Aus der Sicht Gottes haben sie jedoch das Tier überwunden. Auf der Erde lautet der Schrei: «Wer ist dem Tier gleich? Und wer vermag mit ihm zu kämpfen?» Im Himmel hingegen ertönt der Lobgesang: «Wer sollte nicht dich, Herr, fürchten und deinen Namen verherrlichen?» Gott erweist sich am Ende immer als Sieger. So ist es mit denen, die auf Ihn vertrauen. Diese Gläubigen, die lieber starben als das Tier und sein Bild anzubeten, singen nun Loblieder in der Gegenwart Gottes, während jene, die das Tier angebetet haben, mit «Feuer und Schwefel gequält werden vor den heiligen Engeln und vor dem Lamm» (Kapitel 14,10).

Die Überwinder singen das «Lied Moses, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes». Das Lied von Mose ist der Triumphgesang, der am Ufer des Roten Meers ertönte, nachdem Israel von der Bedrückung Ägyptens befreit und trockenen Fusses sicher durch das Meer geführt worden war. Sie sahen die Wellen über ihren Feinden, die sie verfolgen wollten, zusammenschlagen. Die Gläubigen in unserer Stelle wurden durch den Tod von der Szene der Verfolgung befreit. Sie blicken jetzt auf das Gericht über ihre Feinde zurück. Das Lied des Lammes ist nicht ein Lied der Erlösung, sondern ein Lied des Sieges, das Christus, dem Sanftmütigen und Demütigen gilt, der nun auf der Erde gepriesen wird.

Gott wird mit seinen im Alten Testament vorkommenden Namen angesprochen: Herr, Gott, Allmächtiger. Diese Gläubigen sagen nichts darüber, dass sie zu Königen und Priestern gemacht worden sind oder dass sie über die Erde herrschen werden. Es ist die Herrschaft des HERRN, des Allmächtigen, als König über die Nationen und sein gerechtes Gericht auf der Erde, was ihre Herzen mit Freude erfüllt. Die ganze Szene trägt einen jüdischen Charakter und gehört ins Tausendjährige Reich. Sie freuen sich darüber, dass die Nationen kommen und vor Gott anbeten. Dies geschieht nicht durch eine allmähliche Bekehrung, sondern weil seine gerechten Taten offenbar geworden sind. «Denn wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit» (Jes 26,9).

Der Tempel im Himmel

(Kap. 15,5-8)

Nachdem unsere Augen durch den kurzen Einblick in das himmlische Licht erfrischt worden sind, kehren wir zur mitternächtlichen Dunkelheit zurück, in die die Welt immer noch gehüllt ist. Obschon sich die Szene tatsächlich im Himmel abspielt, stammen ihre Farben von der Erde, deren Gericht nun vorbereitet wird.

«Und nach diesem sah ich: Und der Tempel der Hütte des Zeugnisses in dem Himmel wurde geöffnet. Und die sieben Engel, die die sieben Plagen hatten, kamen aus dem Tempel hervor, angetan mit reinem, glänzendem Leinen und um die Brust gegürtet mit goldenen Gürteln. Und eins von den vier lebendigen Wesen gab den sieben Engeln sieben goldene Schalen, voll des Grimmes Gottes, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und der Tempel wurde mit Rauch gefüllt von der Herrlichkeit Gottes und von seiner Macht; und niemand konnte in den Tempel eintreten, bis die sieben Plagen der sieben Engel vollendet waren» (V. 5-8).

Wieder ist der «Tempel der Hütte des Zeugnisses in dem Himmel» der Ort, von wo aus Gott handelt. Es ist der Platz, wo vor kurzem die Lade des Bundes Gottes mit Israel gesehen wurde (Kap. 11,19) und auch der Ort, von dem aus das Gericht über die Nationen gefordert wurde (Kap. 14,15). Dies zeigt auf bildhafte Weise, was in Gottes Gedanken ist. Durch die Plagen, die Er im Begriff steht, auf die Erde auszugiessen, handelt Er im Blick auf Israel. Es ist das Volk, mit dem Er einst seinen Bund geschlossen hat.

Obschon der Tempel dort ist, wird er mit Rauch gefüllt. So hat auch Jesaja den Tempel gesehen, als der HERR kam, um die Verwüstung Israels anzukündigen (Jes 6,4). Und so hat Gott sich seinem Volk gezeigt, als Er ihm das Gesetz gab: «Der ganze Berg Sinai rauchte, weil der HERR auf ihn herabstieg im Feuer; und sein Rauch stieg auf wie der Rauch eines Schmelzofens, und der ganze Berg bebte sehr» (2. Mo 19,18). Wenn Gott mit dem Menschen im gerechten Gericht handelt, ist Er notwendigerweise «ein verzehrendes Feuer» (Heb 12,29). Die Welt hat die Gnade verworfen und den Ruf nach Umkehr abgelehnt. Jetzt steht Gott im Begriff, seine Gerechtigkeit geltend zu machen. Der Tempel im Himmel ist geöffnet, aber nicht zur Fürbitte. Er ist mit dem Rauch des verzehrenden Feuers gefüllt. Gott wird nun zeigen, dass Er dieses Feuer ist. Niemand kann den Tempel betreten, solange der gerechte Zorn Gottes über die Erde ausgegossen wird.

Sieben Diener seines Gerichts sollen die Schalen voll des Grimmes Gottes übernehmen. Sie sind mit reinem, glänzendem Leinen – dem Gewand makelloser Reinheit – bekleidet und um die Brust mit goldenen Gürteln der göttlichen Gerechtigkeit gegürtet. Es ist der «Grimm Gottes, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit», der Zorn des ewig Seienden, des Gottes Israels, der hier bereitsteht. Die vier lebendigen Wesen waren die Ausführer der göttlichen Gerichte der Vorsehung. Eins von ihnen reicht den sieben Engeln die Schalen.