Die Offenbarung (8)

Offenbarung 6

Die Siegel

Das versiegelte Buch ist jetzt Christus übergeben worden und Gott beginnt, «sein Werk zu tun befremdend ist sein Werk! und um seine Arbeit zu verrichten aussergewöhnlich ist seine Arbeit!» (Jes 28,21). Von Kapitel 6 bis zum Schluss von Kapitel 11 erfolgt die Beschreibung der Strafgerichte chronologisch.

Die erste Gruppe von Gerichten wird durch das Öffnen der Siegel eingeführt. Die zweite Gruppe wird durch den Schall der sieben Posaunen eingeleitet. Diese beiden Gruppen von siebenfachen Gerichten umfassen die ganze Zeitperiode von der Entrückung der Gläubigen, um bei Christus zu sein, bis zum Beginn seiner Herrschaft über die Erde.

Nachdem diese Vorgänge im Einzelnen beschrieben worden sind, lässt der Heilige Geist den Apostel Johannes ab Kapitel 12 einige Teile dieser schrecklichen Ereignisse näher beschreiben. Dabei geht es insbesondere um Gottes Handeln mit Israel, die letzte Phase der Gesetzlosigkeit der Nationen und das über die grosse Hure ausgeführte Gericht, mit der die Könige der Erde Hurerei getrieben haben und die sich am Blut der Heiligen berauscht hat. Wir wenden uns zuerst den Strafgerichten zu, die durch das Öffnen der sieben Siegel ausgelöst werden.

Erstes Siegel

«Und ich sah, als das Lamm eins von den sieben Siegeln öffnete: Und ich hörte eins von den vier lebendigen Wesen wie eine Donnerstimme sagen: Komm! Und ich sah: Und siehe, ein weisses Pferd, und der, der darauf sass, hatte einen Bogen; und eine Krone wurde ihm gegeben, und er zog aus, siegend und damit er siegte» (V. 1.2).

Der Reiter auf dem weissen Pferd ist nicht der Herr Jesus. Er wird später auf einem weissen Pferd aus dem Himmel kommen (Kap. 19,11). Das weisse Pferd symbolisiert einfach siegreiche Kraft. Doch wie beim Bild des Löwen, des Thrones, der Krone oder anderer Symbole besteht kein Bezug zum moralischen Charakter der Person, die mit dem Symbol zusammenhängt. Christus wird Löwe genannt, aber dasselbe wird auch vom Teufel gesagt. Gott hat einen Thron, auch Satan hat einen. Christus besitzt viele Kronen, der Drache ebenfalls. Das eigentliche Bild eines Löwen, eines Thrones oder einer Krone lässt keinen Aufschluss über den Charakter einer Person zu, die damit symbolisiert wird. Dies kann man nur aus dem Textzusammenhang entnehmen. So verhält es sich auch mit dem weissen Pferd. Die Frage nach den Begleitumständen kann eine Antwort auf den Reiter ergeben.

Die vorliegenden Szenen sind Gerichtsszenen; denn die Errichtung des Reiches von Christus erfolgt auf dem Weg göttlichen Gerichts. Nacheinander fordert je eines der vier lebendigen Wesen, die Gott in der Schöpfung und im Gericht repräsentieren, jemand mit einer Donnerstimme auf, zu kommen.

Die erste Szene enthüllt einen siegreichen Krieger, vermutlich einen Feldherrn, auf seinem Eroberungszug. Er ist mit einem Bogen bewaffnet, was auf die Schnelligkeit und Ausdehnung seiner Eroberungen hindeutet. Er empfängt eine Krone, was darauf hinweist, dass er nicht königlicher Abstammung ist, sondern seine kaiserliche oder königliche Würde durch seine kriegerischen Erfolge, ähnlich wie Napoleon I., erworben hat. Dieses Gericht ist eine Geissel göttlicher Vorsehung, vergleichbar mit Ereignissen und Situationen, die die Geschichte bereits kennt.

Zweites Siegel

«Und als es das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite lebendige Wesen sagen: Komm! Und ein anderes, feuerrotes Pferd zog aus; und dem, der darauf sass, ihm wurde gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen, und dass sie einander schlachteten; und ein grosses Schwert wurde ihm gegeben» (V. 3.4).

Dem schnellen Erfolg durch den Eroberer unter dem ersten Siegel folgt ein weiterer Kriegsausbruch. Das feuerrote Pferd und das grosse Schwert, das der Reiter trägt, sind die Kennzeichen des Blutvergiessens. Es gibt keinen Frieden mehr auf der Erde. «Nation wird sich gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich.» Kriege und Massaker in ungeahntem Ausmass brechen durch das zweite Siegel an.

Drittes Siegel

«Und als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte lebendige Wesen sagen: Komm! Und ich sah: Und siehe, ein schwarzes Pferd, und der, der darauf sass, hatte eine Waage in seiner Hand. Und ich hörte etwas wie eine Stimme inmitten der vier lebendigen Wesen, die sagte: Ein Chönix Weizen für einen Denar und drei Chönix Gerste für einen Denar; und das Öl und den Wein beschädige nicht» (V. 5.6).

Das schwarze Pferd bedeutet Trauer und Bestürzung. Verheerende Kriege haben eine Hungersnot hervorgerufen. Die Waage in der Hand des Reiters erinnert an Hesekiels Prophezeiung betreffend die Belagerung Jerusalems durch Nebukadnezars Heer. «Ich will in Jerusalem den Stab des Brotes zerbrechen; und sie werden Brot nach dem Gewicht und in Angst essen und Wasser abgemessen und in Entsetzen trinken» (Hes 4,16).

Dieses Bild deutet eine Lebensmittelknappheit an. Die angegebenen Preise weisen auf eine sehr grosse Teuerung für das Lebensnotwendigste hin. Es wurde ausgerechnet, dass sie etwa dem Achtfachen der damals üblichen Preise entsprachen. Dies bedeutet grosse Not – nicht so sehr für die Reichen, deren Öl und Wein unangetastet bleiben – aber für die Armen, für die sogar die Preise der einfachsten Nahrung wie ein Gerstenbrot beinahe unerschwinglich sind.

Viertes Siegel

«Und als es das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten lebendigen Wesens sagen: Komm! Und ich sah: Und siehe, ein fahles Pferd, und der, der darauf sass, sein Name war der Tod; und der Hades folgte ihm. Und ihnen wurde Gewalt gegeben über den vierten Teil der Erde, zu töten mit dem Schwert und mit Hunger und mit Tod und durch die wilden Tiere der Erde» (V. 7.8).

Diese Szene übertrifft die Beschreibung der vorhergehenden drei Siegel. Eroberung, Blutvergiessen und Hungersnot haben zu allgemeiner Trostlosigkeit und zu Elend geführt. Das fahle Pferd, das als Sinnbild für Ausgezehrtheit und Verzweiflung steht, wird vom Tod geritten. Der Hades, das Totenreich, folgt seiner Spur, als ob es seine Opfer verschlingen würde, wie es prophetisch illustriert wird: «Darum sperrt der Scheol seinen Schlund weit auf und reisst seinen Rachen auf ohne Mass; und hinab fährt seine Pracht und sein Getümmel und sein Getöse und der, der darin frohlockt» (Jes 5,14). Der Tod erhält Gewalt über den «vierten Teil der Erde», um Zerstörung zu bringen durch die «vier bösen Gerichte» Gottes: «Schwert und Hunger und böse Tiere und die Pest» (Hes 14,21).

Landstriche sind durch das Schwert verwüstet. Die elenden Überlebenden bleiben mit geplünderten Feldern und ohne Vorräte zurück, um vor Hunger und durch Seuche zu sterben. Wilde Tiere verlassen ihre Schlupfwinkel und streifen durch das trostlose Land. So bietet sich ein Bild von Kummer und Leid, das die Welt in nicht allzu ferner Zukunft erleben wird.

Wie glücklich ist die Bestimmung derer, die das Wort des Ausharrens von Christus bewahrt haben: Sie werden bewahrt «vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird».

So werden die ersten Gerichte dargestellt. Bis dahin handelt es sich nicht um ein direktes göttliches Eingreifen. Die bösen menschlichen Leidenschaften, die während allen Zeiten so manche Kriege und Katastrophen hervorgerufen haben, sind die einzigen Werkzeuge dazu. Das stellt die erste Welle von Gerichten dar, die bald über die Erde hereinbrechen wird.

Vergleiche dies mit den Worten unseres Herrn über das «Zeichen seiner Ankunft und der Vollendung der Zeitalter». Er richtet diese Worte an seine Jünger, die den gläubigen Überrest darstellen: «Ihr werdet aber von Kriegen und Kriegsgerüchten hören. Gebt acht, erschreckt nicht; denn dies muss geschehen, aber es ist noch nicht das Ende. Denn Nation wird sich gegen Nation erheben und Königreich gegen Königreich, und Hungersnöte und Seuchen und Erdbeben werden an verschiedenen Orten sein. Dies alles aber ist der Anfang der Wehen» (Mt 24,6-8). Kriege, Hungersnöte und Seuchen – die Inhalte der ersten vier Siegel – sind die anfangenden Gerichte, durch die der Herr seine Ankunft zum Gericht angekündigt hat. Eine weitere Parallele wird sich in der nächsten Szene zeigen.

Fünftes Siegel

«Und als es das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Bis wann, o Herrscher, der du heilig und wahrhaftig bist, richtest und rächst du nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen? Und es wurde ihnen, einem jeden, ein weisses Gewand gegeben; und es wurde ihnen gesagt, dass sie noch eine kleine Zeit ruhen sollten, bis auch ihre Mitknechte und ihre Brüder vollendet sein würden, die ebenso wie sie getötet werden würden» (V. 9-11).

In dieser Szene werden Krieg, Hungersnot und Seuchen von Verfolgung abgelöst. Genau dasselbe hat der Herr Jesus in Matthäus 24 prophetisch vorgestellt: «Dann werden sie euch der Drangsal überliefern und euch töten; und ihr werdet von allen Nationen gehasst werden um meines Namens willen. … Und dieses Evangelium des Reiches wird auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden, allen Nationen zum Zeugnis, und dann wird das Ende kommen» (V. 9.14). Auf welche Zeitperiode bezieht sich diese Verfolgung, und wen trifft sie?

Obschon eine allgemeine Anwendung auf die Zeit der Christenverfolgungen unter den heidnischen römischen Kaisern gemacht werden kann, bezieht sich die Prophezeiung und deren Erfüllung auf die Zeit vor der Ankunft des Sohnes des Menschen. Wie bereits angeführt, befinden sich die Erlösten der jetzigen und der bereits vergangenen Heilsperioden zu jener Zeit im Himmel. Woher stammen dann diese Märtyrer hier? Es müssen solche sein, die das Wort Gottes nach der Entrückung gehört und angenommen haben. Gibt die vorliegende Beschreibung eine Antwort auf diese Frage?

Es heisst, dass diese Märtyrer um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten, getötet worden sind. Dies bezieht sich auf das Zeugnis der glaubenden Juden nach der Entrückung. Im Matthäus-Evangelium ist der jüdische Charakter des Zeugnisses noch deutlicher, denn unser Herr sagt: «Und ihr werdet von allen Nationen gehasst werden um meines Namens willen» (Mt 24,9). Der Ausdruck «Nationen» bedeutet «Nichtjuden». Aus der Prophezeiung des Herrn Jesus ist ersichtlich, dass die Juden, die sein Wort in jenen Tagen weiter tragen werden, von den Nichtjuden gehasst werden. Während die Nationen nach Macht streben und ihre Expansionspläne forcieren werden – wie dies in den ersten vier Siegelgerichten gezeigt wird –, werden die glaubenden Juden das Evangelium predigen. Es ist nicht das Evangelium der Gnade für alle Menschen, sondern das Evangelium des Reiches, das die Erscheinung des Messias zum Inhalt hat, der jede menschliche Herrschaft stürzen, seinen Thron in Zion aufrichten und sein Volk über alle anderen Nationen dieser Welt erheben wird. Welche Regierung würde ein solches Evangelium akzeptieren? Welcher Herrscher würde nicht versuchen, Prediger, die so etwas «Revolutionäres» verkündigen, zum Schweigen zu bringen? Dies wird also die Verfolgungen auslösen.

Das Evangelium des Reiches steht nicht mit dem Christentum im Zusammenhang. Es ist die frohe Botschaft des messianischen Reiches, wie es Johannes der Täufer und der Herr Jesus selbst angekündigt hatten, bevor sein Anspruch darauf von den Juden abgewiesen wurde. «Dieses Evangelium des Reiches wird auf dem ganzen Erdkreis gepredigt werden, allen Nationen zum Zeugnis» (Mt 24,14), um das messianische Reich vor allen Nationen auf der Erde auszurufen.

Im Lukas-Evangelium bezieht sich die Prophezeiung auf die Ereignisse, die der Zerstörung des Tempels und der Stadt Jerusalem durch die römische Armee vorausgehen. Dort wird das «Evangelium des Reiches» nicht erwähnt. Die dort beschriebene Verfolgung findet nicht nur durch Nichtjuden statt, sondern durch Nationen und Juden gleicherweise. «Vor all diesem aber werden sie ihre Hände an euch legen und euch verfolgen, indem sie euch an die Synagogen und Gefängnisse überliefern, um euch vor Könige und Statthalter zu führen um meines Namens willen» (Lk 21,12). Die Unterscheidung ist wesentlich, denn sie hilft für das Verständnis. Die Prophezeiung von Matthäus bezieht sich nicht auf die Ereignisse, die vor der Belagerung Jerusalems stattfinden werden, sondern auf die notvollen Zeiten, die den Tag des Herrn einleiten, die Zeitperiode also, die in der Offenbarung beschrieben wird.

Die Märtyrer zur Zeit des fünften Siegels werden nach der Entrückung der Versammlung getötet, wenn Gott seine Pläne bezüglich Israel in die Tat umsetzt. Sie kennen Gott als einen Gott des Gerichts. Darum rufen sie um Rache für ihr Blut. In der jetzigen Zeit wären solche Bitten, selbst aus dem Mund von Märtyrern, ungeziemend. Die zu Christus entrückten Gläubigen werden sicher an seinem Ausharren festhalten, so wie sie es während ihres Erdenlebens getan hatten. Hätte Stephanus, der unmittelbar vor seiner Steinigung für seine Mörder gebetet hatte, nach seinem Tod nach Rache rufen können? Niemals! Also können diese Märtyrer nicht zur Zeitperiode der Versammlung gehören, sondern zur Zeit, da Christus zum Gericht aufstehen wird. Sie sind diese Auserwählten, deren Recht Gott schnell ausführen wird, weil diese «Tag und Nacht zu ihm schreien, und ist er in Bezug auf sie langsam?» (Lk 18,7). Die Psalmen sind voll von ihren Gebeten: «Steh auf, HERR! Nicht habe der Mensch die Oberhand; vor deinem Angesicht mögen gerichtet werden die Nationen! Lege Furcht auf sie, HERR; mögen die Nationen wissen, dass sie Menschen sind!» (Ps 9,20.21). «Zerbrich den Arm des Gottlosen; und der Böse ahnde seine Gottlosigkeit, damit du sie nicht mehr findest» (Ps 10,15). Dies ist nicht die Sprache eines verfolgten Christen. Diese Bitten werden von denen geäussert, die mit Christus verbunden sind, wenn seine Langmut vorüber und die Gnadenzeit abgelaufen ist und Er die Gerichte an dieser Welt vollzieht.

Die Märtyrer erhalten weisse Kleider als Zeichen der Anerkennung durch Christus. Aber sie werden weiterhin als Seelen unter dem Altar gelassen und nicht auferweckt, wie die Ältesten, die durch die Auferweckung ihrer Körper schon vollkommen gemacht wurden. Sie müssen auf ihre Auferstehung warten, bis auch die anderen Märtyrer gestorben sind.

Sechstes Siegel

«Und ich sah, als es das sechste Siegel öffnete: Und es geschah ein grosses Erdbeben; und die Sonne wurde schwarz wie ein härener Sack, und der ganze Mond wurde wie Blut, und die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, wie ein Feigenbaum, geschüttelt von einem starken Wind, seine unreifen Feigen abwirft. Und der Himmel entwich wie eine Buchrolle, die zusammengerollt wird, und jeder Berg und jede Insel wurden von ihren Stellen gerückt. Und die Könige der Erde und die Grossen und die Obersten und die Reichen und die Starken und jeder Knecht und Freie verbargen sich in die Höhlen und in die Felsen der Berge; und sie sagen zu den Bergen und zu den Felsen: Fallt auf uns und verbergt uns vor dem Angesicht dessen, der auf dem Thron sitzt, und vor dem Zorn des Lammes; denn gekommen ist der grosse Tag seines Zorns, und wer vermag zu bestehen?» (V. 12-17).

Selbstverständlich können diese Worte nicht in ihrem buchstäblichen Sinn verstanden werden. Eine solch gewaltige Erschütterung würde die Vernichtung des Universums bedeuten. Die Erde wird aber lange über diese Ereignisse hinaus bestehen bleiben. Es handelt sich um eine symbolische Beschreibung, die dem Propheten Joel entnommen ist, der ebenfalls die Ereignisse beschreibt, die den Tag des Herrn einleiten: «Ich werde Wunder geben im Himmel und auf der Erde: Blut und Feuer und Rauchsäulen; die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des HERRN kommt» (Joel 3,3.4). Ein Teil der Bildersprache ist auch der Prophezeiung Jesajas entnommen, der den «Zorn des HERRN gegen alle Nationen» beschreibt und dabei sagt: «Das ganze Heer der Himmel zerschmilzt; und die Himmel werden zusammengerollt wie ein Buch; und ihr ganzes Heer fällt herab, wie das Laub vom Weinstock abfällt und wie das Verwelkte vom Feigenbaum» (Jes 34,4). Diese Stellen zeigen nicht nur die Zeit und deren Umstände, sondern auch die Deutung der Bilder, die in der Offenbarung benutzt werden. Es ist die Zeit vor dem Anbruch des Tages des Herrn. Die Umstände sind Gottes Strafgericht über die Nationen. Die Deutung dieser Umstände lässt auf grosse soziale und politische Umwälzungen schliessen. Dies ist auch der Sinn des «grossen Erdbebens». Die Sonne, die höchste Autorität, wird verdunkelt, und die untergeordneten Mächte, der Mond und die Sterne, werden entweder verwirrt oder gestürzt. Orte der Kraft und Sicherheit – die Berge und Inseln – werden weggenommen. Auf die Kriege, die gewütet haben, folgt eine allgemeine Erschütterung aller Königreiche, die Elend und Anarchie nach sich ziehen.

Diese schrecklichen Ereignisse erfüllen alle Herzen mit Bestürzung. Das Wiederkommen von Christus im Gericht wurde vorausgesagt. Obschon die Welt damals spottete, werden diese weitreichenden Umstürze an die Prophezeiungen erinnern und unter den Menschen Furcht vor den kommenden Gerichten hervorrufen. Dabei gibt es jedoch keine Buße, keinen Ruf um Barmherzigkeit, sondern nur Angst vor der Vergeltung und den verzweifelten Wunsch, diesem fürchterlichen Zorn zu entkommen. Sie bitten die Berge und Felsen, auf sie zu fallen, um sie vor dem Zorn Gottes zu verbergen. Aber ihre panische Angst ist verfrüht. Die Gerichte, die dem «grossen Tag seines Zorns» vorausgehen, haben begonnen, nicht aber dieser Tag selbst. Die Menschen können noch eine Weile in der Sünde weiterleben, damit bewiesen wird, dass ihre Angst nichts an ihrem Herzenszustand ändert. Es wird wie beim Pharao sein: Jede durchlebte Prüfung verhärtet die Herzen noch mehr.

Es liegt etwas Erschreckendes im Gedanken an Menschen, die danach schreien, vor «dem Zorn des Lammes» verborgen zu werden, vor dem Zorn des Sanftmütigen und Demütigen, der «um unserer Übertretungen willen verwundet, um unserer Ungerechtigkeiten willen zerschlagen» war. Dies ist eine ernste Wahrheit. Dieselbe Stimme, die heute sagt: «Kommt her zu mir», wird, wenn die sanfte Einladung abgelehnt wird, schliesslich sagen: «Geht von mir, Verfluchte!» Jetzt ist der Tag der Errettung – dann wird der Tag des Gerichts sein. Und sicher wird jeder Schlag des Gerichts durch die Erinnerung an die zurückgewiesene Gnade noch verstärkt empfunden werden.