Vers 3
Solcherart ist seine persönliche, göttliche Herrlichkeit. Aber es gibt noch eine andere Seite seiner Herrlichkeit, die, obwohl ohne Zweifel göttlich, nur in seiner menschlichen Natur offenbart werden konnte (Heb 2,10.14): «Er hat durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt.» Die auf dem Kreuz vollbrachte Erlösung ist sein eigenes, göttliches Werk, dessen ganze Herrlichkeit Ihm persönlich gehört. Die Sünder, denen es zugutekommt, stehen hier nicht im Blickfeld. Die Erlösung ist ein Werk, das Er, der gleichzeitig Gott und Mensch war, allein ausführen konnte. Zu seiner Herrlichkeit als Schöpfer hat Er die wunderbare Herrlichkeit des Erlösers hinzugefügt, die unendlich erhabener und von einer anderen Ordnung ist. Wunderbare Tatsache: Der Sohn, der Erbe aller Dinge, der Schöpfer, in dem sich die Pracht der Herrlichkeit Gottes und sein vollkommenes Wesen kundgibt, ist es, der «durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt» hat. Wie sehr erhöht die Herrlichkeit seiner Person doch die Grösse seines Werkes!
Nachdem Er es vollbracht, und aufgrund dieses Werkes selbst, «hat er sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe». Das ist seine gegenwärtige Stellung als Mensch; aber Er ist auch Gott. Beachten wir: In dieser Stelle wird Er nicht, wie in der Apostelgeschichte oder im Epheserbrief, als solcher betrachtet, der in Bezug auf seine Auferstehung und seine Erhöhung von Gott abhängig ist. Hier nimmt Er selbst den Platz ein, der Ihm rechtmässig zukommt, nachdem Er durch sich selbst, durch sein Opfer (Heb 9,26), die Reinigung von den Sünden bewirkt hat. Er ist der Sohn, der Schöpfer, eine Person der Gottheit, die Offenbarung Gottes; nun aber auch der zur Rechten Gottes erhöhte Erlöser. Das ist seine persönliche Herrlichkeit, seine herrliche Stellung. Er ist wohl der Messias, nimmt aber als solcher nach der Erfüllung des Werks der Errettung eine himmlische Stellung ein. Wie war doch diese Tatsache geeignet, die jüdischen Christen vom Judentum zu lösen und sie mit dem Himmel zu verbinden! Welche Wirkung wird es auch auf unsere Herzen haben, wenn wir unseren Herrn Jesus in der Herrlichkeit betrachten!
Vers 4
«Indem er um so viel besser geworden ist als die Engel, als er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat.» Der Schreiber des Briefes zeigt nun, dass Jesus in seiner Vortrefflichkeit über den Engeln, diesen himmlischen Geschöpfen und «Gewaltigen an Kraft» steht (Ps 103,20). Er tut es, um die Vortrefflichkeit des Christentums zu zeigen, die er im Verlauf des Briefes auch allen anderen Wesenszügen des jüdischen Systems gegenüberstellt. Gott hat sich in seinen Beziehungen zum Volk Israel und ihren Vätern oft des Dienstes der Engel bedient. Die Juden hatten «das Gesetz durch Anordnung von Engeln empfangen» und rühmten sich dessen (Apg 7,53; Heb 2,2; Gal 3,19) Der Schreiber wird nun anhand verschiedener Stellen des Alten Testaments die Überlegenheit Christi zeigen. Sie kommt zunächst darin zum Ausdruck, dass Er einen vorzüglicheren Namen als die Engel ererbt hat, ein Name, der Ihm allein gebührt und durch den Gott offenbart hat, was Er ist. Das lehrt uns der folgende Vers.
Vers 5
«Denn zu welchem der Engel hat er je gesagt: ‹Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt›»? Das ist der Wesenszug, der Christus auf eine absolute Weise von den Engeln unterscheidet. Er ist Sohn. Wohl werden die Engel als Gottes Geschöpfe «Söhne Gottes» genannt (Hiob 1,6), aber sie stehen Gott gegenüber nicht in dieser einzigartigen Beziehung, die das Wort gezeugt ausdrückt. Die Worte: «Du bist mein Sohn» zeigen an, dass Er auf eine ausschliessliche Weise in diesem Verhältnis zu Gott steht. Er ist Sohn von Ewigkeit her, aber dieser Name, der Ihm hier gegeben wird und der diese Beziehung anzeigt, ist auf den auf der Erde geborenen Christus angewandt. «Heute habe ich dich gezeugt»; damit ist seine Beziehung zu Gott in der Zeit ausgedrückt. Er, der der eingeborene und ewige Sohn war, bevor noch irgendetwas bestand, hat durch seine wunderbare Geburt diese Stellung auch hier auf der Erde erworben, wie der Engel es Maria angezeigt hat: «Darum wird auch das Heilige, das geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden» (Lk 1,35). Jesus hat sich auch durch Toten-Auferstehung als Sohn Gottes erwiesen (Röm 1,3.4).
Zu dieser Anführung aus Psalm 2 fügt der Schreiber einen anderen Ausspruch hinzu: «Ich will ihm zum Vater, und er soll mir zum Sohn sein.» Diese Worte, die sich in 1. Chronika 17,13 in ihrem wörtlichen und unmittelbaren Sinn auf Salomo bezogen, aber hier auf Christus angewandt werden, zeigen, dass es sich da um seine Beziehung als Mensch zu Gott handelt. Sie bezeichnen Ihn als Messias, als König in Zion, wovon Salomo ein Vorbild war. Alles dieses beweist, wie vortrefflich der Name ist, den Er ererbt hat; wie hoch steht Er über den Engeln!
Vers 6
Der Würde des Herrn wird noch ein anderes Zeugnis gegeben. Als Erstgeborener in den bewohnten Erdkreis eingeführt, müssen Ihn die Engel, die höchsten Geschöpfe, die Gott am nächsten sind, anbeten. Dieser Ausdruck «Erstgeborener» bezeichnet seine Vorrangstellung, wie auch aus Psalm 89,28 ersichtlich ist. Hier ist Er nicht wie in Römer 8,29 «der Erstgeborene unter vielen Brüdern», sondern vielmehr der Erstgeborene im Sinn des Kolosserbriefes (1,15.18), wo dieser Ausdruck seinen Vorrang vor allen geschaffenen Dingen anzeigt.
Verse 7-12
Die Engel sind nur Diener; Gott macht mit ihnen, was Er will. Mit dem Sohn ist es anders: Gott erklärt, was Er ist. Der Schreiber des Briefes führt, um dies zu zeigen, zwei bemerkenswerte Stellen aus den Psalmen an, die sich auf den Messias beziehen.
In Psalm 45 wird seine Göttlichkeit festgestellt: «Dein Thron, o Gott», – «Gott, dein Gott, hat dich gesalbt». Als solcher wie auch als Messias muss Er einen irdischen Thron haben, den Er einst übergibt (1. Kor 15,24) und einen Thron, der von Ewigkeit zu Ewigkeit bestehen wird. Als Messias wird Er in Gerechtigkeit herrschen, seinem persönlichen Charakter entsprechend, der mit den Worten: «Du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst», geschildert wird. Nach all seinen Leiden wird Freudenöl, eine vollkommene Glückseligkeit sein Teil sein. Er wird «Genossen», «die Freunde des Bräutigams», also den Überrest Israels um sich haben, die diese Freude mit Ihm teilen. Aber auch in seiner Freude wie in allen Dingen ist Er über seine Genossen erhaben (siehe Heb 12,2; Joh 3,29).
Die zweite, dem 102. Psalm entnommene Stelle schildert auf erhabene und noch genauere Weise die göttliche Herrlichkeit des Messias. In den Versen 24 und 25, die dem Zitat vorangehen, vernehmen wir den Notschrei des leidenden Messias: «Nimm mich nicht weg in der Hälfte meiner Tage!» Dann aber folgt die Antwort des HERRN, ein wunderbares Zeugnis für die Person Christi: «Von Geschlecht zu Geschlecht sind deine Jahre. Du hast einst die Erde gegründet, und die Himmel sind deiner Hände Werk …» Dieser erniedrigte und niedergebeugte Messias ist der erhabene Schöpfer, der vor allen Dingen war und in Ewigkeit besteht, wenn Er alles Vergängliche verwandelt haben wird. Inmitten der veränderlichen und vorübergehenden Schöpfung ist Er derselbe, der Unveränderliche, ein Titel, der nur Gott eigen ist.
Verse 13.14
Die letzte hier erwähnte Einzelheit vervollständigt die Entfaltung der Herrlichkeiten Christi: Seine gegenwärtige Stellung. Zu diesem Zweck wird eine Stelle aus dem 110. Psalm angeführt, den der Herr auf sich selbst bezieht (Mt 22,43-45). Aufgrund der Vollendung seines Werkes, nach seinen Leiden und seinem Tod, und kraft der göttlichen Erhabenheit seiner Person beruft Ihn Gott auf den höchsten Platz der Ehre und der Majestät: «Setze dich zu meiner Rechten.» Diese herrliche Stellung nimmt Er jetzt schon ein, in Erwartung des Augenblicks, wo sie vor aller Welt offenbar wird, dann, wenn Gott seine Feinde als Schemel seiner Füsse hinlegt. Zu welchen der Engel hätte Gott je ein solches Wort gesagt? Welchem hätte Er je einen solchen Platz gegeben? Keinem einzigen. Der Gegensatz zwischen ihrer Stellung und der Seinen ist gross. Alle Dinge werden Ihm unterworfen sein, und bis dahin ist Er zur Rechten Gottes. Die Engel alle beten Ihn an; sie sind nur dienstbare, den Befehlen Gottes unterstellte Geister, Diener Gottes, die ihren Dienst zum Wohl derer ausüben, die die Errettung erben sollen. Beispiele für diesen Dienst finden wir in verschiedenen Stellen der Apostelgeschichte (5,19; 12,7-10; 27,23). Obwohl sie unseren Augen unsichtbar sind, sind zweifellos auch wir Nutzniesser ihrer Fürsorge. Aber es ist besser, dass wir sie nicht sehen; denn der Mensch ist immer geneigt, sich an das von Gott verwendete Werkzeug zu hängen, statt sich bis zu Ihm zu erheben. Es ist besser, Engel zu beherbergen, ohne es zu wissen.
Alles in diesem Kapitel ist also dazu angetan, die göttliche Herrlichkeit Christi, des Mensch gewordenen Sohnes auf der Erde, zu erheben. Möchten unsere Herzen sie anbetend betrachten!