Der Brief an die Hebräer (32)

Hebräer 13,15-19

Vers 15

Die gläubigen Hebräer hatten nun nichts mehr zu tun mit den Opfern, die nur Bilder waren auf das Opfer Christi hin. Sie waren durch dieses ein für alle Mal dargebrachte Opfer von der Sünde gereinigt und als Anbeter in das Heiligtum der Gegenwart Gottes eingeführt worden. Gleichwohl sollten sie nun – und wir mit ihnen – Gott ein Opfer darbringen, und zwar ein Opfer des Lobes, das aus einem Herzen hervorkommt, das die wunderbare Gnade, die ihm zuteilgeworden ist, erkennt, geniesst und schätzt. Dieses Lob – die Frucht der Lippen, die den Namen dessen bekennen oder segnen, durch den uns jede Segnung erworben wurde – steigt auch zu Gott empor und ist Ihm angenehm gemacht durch Jesus Christus. Wir sind, wie Petrus sagt, «eine heilige Priesterschaft, um darzubringen geistliche Schlachtopfer, Gott wohlangenehm durch Jesus Christus» (1. Pet 2,5). Und beachten wir auch, dass dieses Opfer des Lobes nicht nur in einem bestimmten Augenblick zu Gott emporsteigen soll; wir werden vielmehr ermahnt, es Ihm unaufhörlich darzubringen. In der Tat, können wir uns nicht jeden Augenblick an den Segnungen erfreuen, die uns aufgrund des Werkes Christi zuteilgeworden sind? Haben wir nicht das beständige Vorrecht, in der Gegenwart unseres Gottes zu leben? Und gibt es nicht einen auffallenden Gegensatz zwischen den Opfern des Gesetzes, die unaufhörlich an die Sünde erinnerten, und dem Opfer des Lobes, das unaufhörlich aus unseren Herzen emporsteigt, weil die Sünde für immer zunichtegemacht ist? Oh, wie sollten unsere Seelen, in der heiligen Freiheit, in die das Opfer Christi uns versetzt hat, sich unaufhörlich gedrängt fühlen, unseren Gott zu loben und zu segnen!

Vers 16

Hier haben wir weitere Opfer, die aus Herzen kommen, die Gott gegenüber dankbar sind. Das Lob bezieht sich direkt auf Ihn; aber auch die Liebe gegenüber unseren Brüdern, die sich durch Wohltun und Mitteilen kundgibt, ist eine Ihm wohlgefällige Sache. Sie entspricht seiner Natur, sie zeigt die Gleichförmigkeit unserer Gefühle mit den Seinen, in denen Er nicht aufhört, seine Wohltaten auszuschütten. Wer Gott anbetet und an ihm freut, dessen Herz ist auch geneigt zum Wohltun. Die Liebe Gottes, wovon es erfüllt ist, fliesst über und richtet sich auch auf unsere Brüder und die anderen Menschen. An solchen Opfern hat Gott Wohlgefallen. Wohltun ist die Neigung des Herzens; anderen von seinen Gütern mitteilen ist das Ergebnis. Man könnte auch durch einen gesetzlichen Grundsatz von seinen Gütern mitteilen; aber dann hätte Gott kein Wohlgefallen daran. Wenn ich alle meine Habe austeilte, aber nicht Liebe habe, so nützt es mir nichts (1. Kor 13,3). Das Wohltun wird sich nicht nur in der Verteilung von Gaben an die Bedürftigen zeigen. Es wird sowohl moralisch als auch physisch wohltun; der Name sagt es schon.

Beim Lesen von 5. Mose 26,1-15 wird man bemerken, dass auch dort diese beiden Gedanken in der gleichen Ordnung zu finden sind: Dank und Lob gegenüber dem HERRN; Wohltun gegenüber den Leviten, den Fremden, den Waisen und Witwen, also gegenüber denen, die nichts hatten.

Vers 17

Die im siebten Vers erwähnten Führer waren nicht mehr da, hatten aber den Gläubigen das Beispiel ihres Glaubens hinterlassen. Doch lässt der Herr die Seinen in seiner Treue nicht ohne Führer. Dies sind Männer, die sich Gott gegenüber verantwortlich fühlen und über die Seelen wachen, als solche, die Rechenschaft über sie schuldig sind. Sie gehen sozusagen im Wandel auf dem Weg der Wahrheit auf einsichtige Weise voran, um die Seelen darin zu führen und sie vor dem Einfluss der mancherlei und fremden Lehren zu schützen. Sie wachen; sie sind wie Wächter, die vor den schlauen Angriffen des Feindes warnen. Ihr Dienst setzt sich ununterbrochen fort und ist oft schwierig und mühsam, und ihre Verantwortung ist gross. Gross ist auch die Verantwortung derer, denen sie dienen. Sie sollen die erkennen, die unter ihnen arbeiten, sie achten und lieben, so wie Paulus den Thessalonichern geschrieben hat (1. Thes 5,12.13). Man soll ihnen gehorchen, sich ihnen unterordnen und nicht behaupten, jeder sei sein eigener Führer. Ihr Dienst gegenüber solchen, die ihr Wort mit Sanftmut und Demut aufnehmen, ist für sie eine Freude und Ermunterung (1. Thes 2,13-20). Wenn aber dieser Dienst mit Widersetzlichkeit beantwortet wird, so vollzieht er sich unter Tränen und mit Seufzen, und dies wäre zum Nachteil derer, die diese Leiden hervorrufen.

Vers 18

Diese Aufforderung zur Fürbitte vonseiten der Gläubigen findet sich überall in den Briefen des Paulus, oft mit den gleichen Ausdrücken (vgl. Röm 15,30; 2. Kor 1,11; Eph 6,19; Kol 4,3; 1. Thes 5,25; 2. Thes 3,1). Der Verfasser des Briefes sondert sich von seinen Mitarbeitern nicht ab. Er sagt: «Betet für uns.» Wenn er diese Bitte ausspricht, so hat er ein gutes Gewissen in seinem Dienst; er fühlt die Verantwortlichkeit, und um ihr entsprechen zu können, benötigt er die Hilfe der Heiligen, durch ihre Gebete. Er bittet sie mit Vertrauen, denn sein einziger Wunsch ist der, in allem ehrbar zu wandeln. Hier haben wir das Beispiel eines wahren und demütigen Führers.

Vers 19

Er bittet die Heiligen, umso mehr für ihn zu bitten, damit er ihnen desto schneller wiedergegeben werde. Dieses Vertrauen in die Gebete der Gläubigen ist rührend; dadurch kommt auch das Vertrauen zum Ausdruck, dass Gott, an den die Gebete gerichtet werden, sie hört und erhört. Wir haben dieses Vertrauen sehr nötig; es gibt dem Gebet allein seinen wahren Wert und seine Wirksamkeit. Beachten wir auch, dass die so oft wiederholten Bitten des Apostels, dass man für ihn und seine Mitarbeiter im Werk bete, auch eine stille Ermahnung an die Christen unserer Tage enthalten, für die Diener des Herrn in deren verschiedenerlei Umständen, in denen sie sind, zu beten. Merken wir uns schliesslich auch, dass es nötig ist, dass ein Diener des Herrn ein gutes Gewissen hat und den Wunsch, in allem ehrbar zu wandeln, bevor er die Gläubigen um Fürbitte für ihn ersuchen kann.