Verse 13.14
Welches sind nun die Folgen dieser ewigen Erlösung? Um sie deutlicher hervorzuheben, erinnert der Verfasser daran, was unter dem Gesetz geschah. Die damals ins Auge gefassten Verunreinigungen waren äusserlicher Art und tasteten die Reinheit des Fleisches an – der Aussatz, die Berührung eines Toten usw. – Wer in dieser Weise verunreinigt wurde, befand sich ausserhalb der Gemeinschaft mit dem Volk, bis zu dem Augenblick, wo das Blut von Böcken und Stieren dargebracht oder der Unreine mit dem Wasser der Reinigung besprengt wurde, das mit der Asche der geschlachteten roten jungen Kuh zubereitet worden war (siehe 3. Mose 4; 5; 14; 16 und 4. Mose 19).
Durch das Blut Christi hingegen ist eine weit grössere und wichtigere Reinigung bewirkt worden – eine sittliche Reinigung, eine Reinigung des Gewissens. Und beachten wir, wovon das Gewissen gereinigt wird: von toten Werken, nicht nur von gewissen Sünden, sondern von allem, was die sündige Natur des Menschen, der tot ist in seinen Vergehungen und Sünden hervorbringt. Es sind tote Werke, Früchte eines verdorbenen Herzens, die vor Gott keinen Wert haben können; sie zeigen nur an, dass der «Baum», der sie hervorbringt, verdorben ist. Durch das Werk Christi, durch das vergossene Blut, aufgrund der ewigen Erlösung, wird das Gewissen gereinigt, die toten Werke ausgelöscht und alles, was der Mensch in seiner sündigen Natur war und was ihn verunreinigte, beiseite gesetzt.
Auf diese Weise in unserem Gewissen gereinigt, sind wir fähig gemacht, dem lebendigen Gott zu dienen. Dieser Ausdruck «lebendiger Gott» bildet einen absoluten Gegensatz zu den «toten Werken», zu dem sittlichen Zustand des nicht wiedergeborenen Menschen, der sie hervorbringt und daher durchaus unfähig ist, dem lebendigen Gott zu dienen. Der Ausdruck «dienen» bedeutet hier nicht «gehorchen» oder «den Willen Gottes tun», sondern bezieht sich auf den Priesterdienst in seiner Gegenwart. Im Urtext ist es dasselbe Wort wie im neunten Vers, wo es mit «Gottesdienst üben» übersetzt wird. Welch glückliches Vorrecht, mit einem gereinigten Gewissen vor Gott stehen zu können, um Ihm zu dienen!
Aber bleiben wir noch einen Augenblick bei dem Mittel stehen, durch das wir eine solche Gunst geniessen können. Es ist das Blut des Christus. Hier werden jedoch noch mehrere Dinge hinzugefügt, die die Kraft und die Wirksamkeit dieses Opfers erhöhen. Die Opfer (Vers 13) wurden dargebracht, ohne dass die Tiere wussten, worum es ging. Christus aber hat sich selbst Gott geopfert. Er opferte sich im vollen Bewusstsein dessen, was Er tat; sein Opfer war freiwillig, es geschah in Hingabe und Gehorsam Gott gegenüber. Das Opfer Christi war also eine sittliche Handlung, ausgeführt zur Verherrlichung Gottes. «Ohne Flecken» wird hinzugefügt. Die Tieropfer mussten äusserlich makellos sein. Christus aber war sittlich rein, ohne Flecken, und auf diese Weise des Gottes würdig, dem Er sich darbrachte. Es handelte sich hier um Christus als dem Menschen; als solcher hat Er Sünde nicht gekannt. Empfangen vom Heiligen Geist, ist Er ohne Sünde geboren. In seinem Leben wurde Er durch den Heiligen Geist geführt und hat die Sünde nicht in sich eindringen lassen. In allem war Er von ihr getrennt. Alle seine Beweggründe waren vollkommen rein, und Er hatte nur Gott vor Augen. Sein Opfer war also nicht nur freiwillig, sondern auch ohne Flecken und daher von einer Vollkommenheit, die es Gott angenehm machte. Er war das wahrhaftige Brandopfer.
Noch ein anderer Charakterzug kennzeichnet die Vortrefflichkeit des Opfers Christi. Er hat sich durch den ewigen Geist geopfert. Er tat es, durch die Kraft des Geistes Gottes zu dieser Handlung angeregt und getrieben, der in Ihm, als dem Menschen, wohnte. Der Geist wird hier nicht «Heiliger Geist» genannt, sondern «ewiger Geist», wie auch die durch das Opfer Christi bewirkte Erlösung ewig ist. Die Kraft, in der sich Christus geopfert hat, wird also durch dasselbe Wort gekennzeichnet. Der Geist, durch den Christus sein Opfer vollbracht hat, verleiht diesem eine ewige Wirksamkeit und einen ewigen Wert.1 Wie gross und wunderbar ist doch das Werk Christi am Kreuz!
Vers 15
Darum, aufgrund dieses vergossenen Blutes, dieses erlittenen Todes, ist Christus Mittler eines neuen Bundes geworden. Der neue Bund ist also auf sein Blut gegründet. Er betrifft Israel in der Zukunft; daher vermeidet der Schreiber durchwegs eine direkte Anwendung des neuen Bundes. Aber schon jetzt ist alles bereit, damit er seine Wirkung haben kann: der Mittler ist da, und der Tod hat stattgefunden, «zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund.» Die unter dem ersten Bund dargebrachten Opfer konnten die begangenen Übertretungen nicht sühnen, aber der Mittler hat durch seinen Tod, dem Lohn der Sünde, das Lösegeld bezahlt; sie sind kraft dieses Todes ausgelöscht, so dass «die Berufenen», die jetzt berufen werden (siehe Kapitel 3,1), Nutzniesser dieses Lösegeldes sind und das verheissene ewige Erbe empfangen. Dieses Erbe umfasst alle verheissenen Segnungen, die in Beziehung zum neuen Bund stehen. Es ist ewig oder auf immerdar, weil das Werk, das die Sünde vor den Augen Gottes wegnimmt, in Vollkommenheit erfüllt ist; die Natur und das Wesen Gottes sind dadurch verherrlicht worden, und es hat einen ewigen Wert.
Verse 16.17
Das sonst mit «Bund» übersetzte Wort wird hier mit «Testament» wiedergegeben. Es bedeutet: «Verfügung». Der Bund ist eine Verfügung, die Gott im Blick auf den Menschen, der zu Ihm in Beziehung tritt, getroffen hat. Das Testament ist eine Verfügung zugunsten von jemand. Aus diesen beiden Versen, die eine durch den Gedanken des Erbes veranlasste Einschaltung sind, geht deutlich hervor, dass es hier um den Sinn eines Testaments geht. Dieser zusätzliche Gedanke wird eingeführt, um zu zeigen, dass der Tod des Christus – als Erblasser betrachtet – eine Notwendigkeit war, um das, was das Testament enthält – das heisst die Segnungen des ewigen Erbes – geniessen zu können.
Verse 18-22
Der Verfasser kommt auf den Gedanken des Bundes zurück und zeigt, dass auch der erste Bund nicht ohne Blut eingeweiht worden ist, nicht ohne ein Dazwischentreten des Todes. In der Tat, aus 2. Mose 24,7.8 geht hervor, dass das Blut der Opfer die Autorität des Gesetzes über das Volk besiegelte, das es mit den Worten angenommen hat: «Alles, was der HERR geredet hat, wollen wir tun.» Es war ein Zeichen dafür, dass mit der Verpflichtung zum Halten des Gesetzes die Todesstrafe verbunden war. Zweitens ersieht man aus zahlreichen Stellen, und im Besonderen aus 3. Mose 16,15-19, dass selbst die Stiftshütte und ihre Geräte, die durch die Unreinheiten und die Übertretungen der Kinder Israels verunreinigt waren, durch Blut gereinigt wurden.2
Damit gelangt der Schreiber zu der grossen und wichtigen, im ganzen Gesetz verkündeten Wahrheit: «Ohne Blutvergiessung (ohne Tod) gibt es keine Vergebung.» Der Bund ist also auf das Blut gegründet; die durch dieses Mittel ausgelöschten Verunreinigungen und auch die Vergebung der Sünden (die Aufhebung der Schuldhaftigkeit) wurde durch Blutvergiessung erreicht.
Vers 23
Die Abbilder der Dinge in den Himmeln – die Stiftshütte und was dazu gehörte – wurden also durch das Blut der Opfer gereinigt, die himmlischen Dinge selbst aber verlangten bessere Schlachtopfer zu ihrer Reinigung: das Opfer Christi. Die himmlischen Dinge sind das Heiligtum droben, die «wahrhaftige Hütte», in die Christus als Diener eingegangen ist (Heb 8,1.2). Auch sie benötigen eine Reinigung, weil sie durch die Gegenwart Satans und seiner Engel verunreinigt sind. Am grossen Versöhnungstag (3. Mose 16) reinigte der Hohepriester, wie wir es weiter oben gesehen haben, das irdische Heiligtum, das durch die Sünden der Söhne Israels verunreinigt war, mit Blut. So hat auch Christus durch sein Blut, gestützt auf sein Opfer, alles Nötige zur Reinigung des himmlischen Heiligtums getan. Das Werk, auf dem diese Reinigung beruht, ist vollbracht. Was uns anbelangt, so geniessen wir sie schon völlig: unsere Sünden sind ausgetilgt; wir sind daher mit Gott versöhnt und in seine Gegenwart zugelassen. Aber es muss dann, wenn Satan und seine Engel vom Himmel herabgeworfen sind (Off 12,9), noch die Reinigung der himmlischen Dinge erfüllt werden. Aufgrund des Opfers Christi, des «Blutes des Kreuzes» wird später auch die Versöhnung «aller Dinge» mit Gott zustandekommen, «seien es die Dinge auf der Erde oder die Dinge in den Himmeln» (Kol 1,20), wenn Satan in den Abgrund geworfen und gebunden wird (Off 20,1-3). Wir aber sind jetzt schon versöhnt «in dem Leib seines Fleisches durch den Tod» (Kol 1,21.22). Sowohl im Kolosser- wie auch im Hebräerbrief wird also auf das Werk Christi am Kreuz, auf sein vergossenes Blut und auf die Gläubigen hingewiesen, wie auch auf seine zukünftige Anwendung: auf die Reinigung der «himmlischen Dinge» und «die Versöhnung aller Dinge».
- 1Beachten wir, mit welcher Sorgfalt im Hebräerbrief allen Dingen das Beiwort «ewig» hinzufügt ist. Er stellt den Gläubigen keineswegs auf den Boden einer zeitlichen Beziehung zu Gott auf der Erde, sondern auf den Boden einer ewigen Beziehung. So verhält es sich auch mit der Erlösung und dem Erbe. Auch im Hinblick auf dieses ist das Werk auf der Erde ein für alle Mal vollbracht. Diese Bemerkung bezüglich der Natur des Werkes ist nicht ohne Wichtigkeit. Daher der Gebrauch des Beiwortes «ewig», selbst im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist.
- 2«Fast alle Dinge werden mit Blut gereinigt nach dem Gesetz», wird hier gesagt. Es gab Fälle, wo das Wasser als Mittel der Reinigung angewandt wurde, sowohl für Personen als auch für Dinge. (Siehe 3. Mose 15 und 4. Mose 19.) «Das Wasser ist ein Bild der sittlichen und praktischen Reinigung. Diese Reinigung geschieht durch die Anwendung des Wortes auf Herz und Gewissen, das alles Böse richtet und alles Gute offenbart.»