Vers 24
Die Reinigung und Versöhnung aller Dinge ist also die grosse Tatsache, die sich aus dem Opfer Christi ergibt. Er ist nicht in das mit Händen gemachte irdische Heiligtum eingegangen, sondern in den Himmel selbst, in das himmlische Heiligtum; wovon das erste nur ein Bild war. Er befindet sich dort gemäss der Vortrefflichkeit seiner Person und kraft der Vollkommenheit seines vollbrachten Werkes, und zwar in der Gegenwart Gottes selbst, vor dessen Angesicht Er nun für uns erscheint. So wie einst der Hohepriester einmal im Jahr als Vertreter Israels ins Allerheiligste eintrat, so erscheint Christus jetzt für uns vor dem Angesicht Gottes und Er bleibt dort; unsere Stellung verändert sich also nicht. Welche Gnade, in dieser Weise in Gottes Nähe zu sein, ohne Vorhang zwischen Ihm und uns! Welche Vollkommenheit in der Person und im Werk dessen, der dort für uns erscheint! Welche Sicherheit für die Seele, in solcher Weise vertreten zu sein!
Verse 25.26
In Israel musste der Hohepriester jedes Jahr mit dem Blut neuer Opfer ins Heiligtum eintreten, mit einem anderen Blut als dem Seinen, um das Volk und die Stiftshütte zu reinigen. Das Werk war nie vollkommen und nahm die Sünde nicht für immer weg: Es musste ständig wiederholt werden. Mit Christus ist es nicht so. Er ist ein für alle Mal ins himmlische Heiligtum eingegangen und bleibt dort; denn Er ist mit seinem eigenen Blut gekommen, und da sein Opfer sowohl in sich selbst als auch in seinen Auswirkungen vollkommen ist, muss es nicht wiederholt werden. Sonst hätte Christus oftmals leiden müssen von Grundlegung der Welt, von der Einführung der Sünde an, aber das war nicht nötig, denn jetzt «ist er einmal in der Vollendung der Zeitalter offenbart worden zur Abschaffung der Sünde durch sein Opfer». Eine Wahrheit von allergrösster Bedeutung und unendlich kostbar!
«In der Vollendung der Zeitalter», heisst es hier. «Die Zeitalter» sind die Zeiten der Langmut Gottes gegenüber dem Menschen, die dem Werk Christi vorausgingen, die Zeiten, in denen der Mensch auf verschiedene Weise auf die Probe gestellt wurde und in denen sich die Geschichte des Menschen abwickelte, als er unter seine eigene Verantwortung gestellt war. Diese Zeiten umfassen die verschiedenen Heilszeitalter, durch die ihn Gott hindurchgehen liess: Vor dem Gesetz – unter Gesetz – mit dem Priestertum, um Gott zu nahen – mit Verheissungen – dann mit der Gegenwart seines geliebten Sohnes, gekommen in Gnade und Macht zur Befreiung. Diese vielen Jahrhunderte der Erprobung haben deutlich gezeigt, was der Mensch in seiner Natur und in seinem Willen ist. Er hat sich keineswegs Gott unterworfen und hat sich kein ihm angebotenes Mittel zunutze gemacht, um Gott zu nahen; er hat sich deutlich als schlecht offenbart, unverbesserlich schlecht, als Sünder und Feind Gottes, in einem solchen Mass, dass Jesus am Ende seiner Laufbahn der Liebe auf der Erde das schmerzliche Wort aussprechen musste, das endgültig zusammenfasst, was das Menschenherz ist: «Jetzt aber haben sie gesehen und doch gehasst sowohl mich als auch meinen Vater» (Joh 15,24).
Das ist «die Vollendung der Zeitalter», das Ende der Geschichte des auf die Probe gestellten Menschen. Er setzt seiner Sünde durch die Verwerfung und Kreuzigung des Herrn Jesus, des Sohnes Gottes, die Krone auf.
Da aber tritt Gott dazwischen, gemäss seinen ewigen Ratschlüssen der Liebe. Als der Mensch seine völlige Unfähigkeit erwies, dem zu entsprechen, was Gott von ihm forderte, und vielmehr in der Verwerfung seines Sohnes seine Feindschaft gegen Gott kundgab, als sich dieser im Fleisch offenbarte, da hat Christus das Werk Gottes erfüllt, die Abschaffung der Sünde bewirkt, und zwar gerade in dieser Verwerfung, durch diesen Tod, den Er freiwillig vonseiten der Menschen erlitt. Dieses Werk ist in vollkommener Weise erfüllt. Die Sünde, die Gott verunehrt und den Menschen von Ihm getrennt hatte, ist durch das Opfer Christi zunichtegemacht worden. Sie ist vor den Augen Gottes weggetan und zwar ein für alle Mal; denn Christus ist einmal offenbart worden, und dieses eine Mal genügte, da durch die Abschaffung der Sünde das grosse Endresultat zur Ehre Gottes und zum Segen des Menschen erreicht war. Somit ist in sittlicher Beziehung die Vollendung der Zeitalter erreicht. Es ist wohl wahr, dass noch nicht alle Ergebnisse des Werkes Christi in Erscheinung getreten sind, aber die Grundlage dazu ist gelegt:
- Die Sünde wird von der Welt weggenommen (Joh 1,29);
- die Werke des Teufels werden vernichtet werden (1. Joh 3,8);
- es wird einen neuen Himmel und eine neue Erde geben, in denen Gerechtigkeit wohnt, eine ganz neue Schöpfung (Off 21,1; 2. Pet 3,13), worin die Sünde und ihre Folgen nicht mehr bestehen und nie mehr Eingang finden können.
Und das alles ist das Ergebnis des Werkes Christi. Sein Opfer, das Opfer seiner selbst auf dem Kreuz ist die Grundlage, auf der diese Offenbarung der Macht, der Liebe und der Herrlichkeit Gottes in Ewigkeit ruht. Aber jetzt schon verwirklicht der Gläubige dieses Ergebnis, nämlich die Abschaffung der Sünde, in seinem Gewissen, so wie er auch jetzt schon in sittlicher Beziehung zur neuen Schöpfung gehört (2. Kor 5,17).
Verse 27.28
Der Schluss des vorangegangenen Verses stellt uns das Werk Christi, sein Opfer und dessen allgemeine Tragweite vor, wovon das vollständige und schliessliche Ergebnis noch kommen wird. Die Verse 27 und 28 zeigen uns, dass der Gläubige selbst dieses Ergebnis schon besitzt, zwar noch nicht so, wie es sich in der Herrlichkeit zeigen wird, aber schon vollständig bezüglich seines Gewissens, so dass für ihn die Sünde abgeschafft ist und er ohne Vorhang in der Gegenwart Gottes weilen kann.
Christus wird hier als Stellvertreter vorgestellt: Er trägt die Sünden. Am grossen Versöhnungstag wurden zwei Böcke abgesondert. Einer war für den HERRN und wurde als Opfer für die Sünde des Volkes dargebracht; sein Blut wurde in das Allerheiligste hineingetragen, um für das Heiligtum Sühnung zu tun und es von den Unreinheiten des Volkes Israel zu reinigen. Im Vorbild entspricht dies der Abschaffung der Sünde vor Gott durch das Opfer Christi. Der zweite Bock wurde nicht getötet, stand aber doch im Zusammenhang mit dem ersten, der geschlachtet wurde, denn er musste in der Wüste, im «öden Land» verschwinden, einem Bild des Todes. Auf dem Kopf dieses zweiten Bockes bekannte Aaron, der Hohepriester und Vertreter des Volkes, die Übertretungen und Ungerechtigkeiten der Söhne Israels, und sie wurden somit auf den Bock gelegt. Dann führte man ihn in die Wüste; er nahm nun alle diese Sünden mit sich und sie verschwanden damit vor dem Auge Gottes und dem Volk (3. Mose 16). Im Bild stellt auch dieser zweite Bock Christus dar, «der einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen», d.h. Christus, den Stellvertreter für uns Gläubige: «Er hat unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen» (1. Pet 2,24).
Wegen der Sünde erwarten den Menschen zwei schreckliche Wirklichkeiten:
- der Tod und danach
- das Gericht.
Das ist das Los des Menschen als des Kindes Adams: Es ist ihm gesetzt, einmal zu sterben. Aber mit diesem Tod, dem Lohn der Sünde (Röm 6,23), ist für ihn noch nicht alles beendet; es folgt noch Schrecklicheres: das Gericht. Der Tod führt ihn vor Gott hin, der ihn richtet, und daher ist der Tod der König der Schrecken (Hiob 18,14). Aber für den Gläubigen ist alles anders: Er ist nicht mehr von Adam abhängig, sondern von Christus. Und in Christus findet er zwei gesegnete Gewissheiten:
- Christus ist ein für alle Mal geopfert worden, um seine Sünden zu tragen, und folglich sind sie völlig weggetan.
- Christus wird bald erscheinen und denen, die Ihn erwarten, eine vollkommene Befreiung bringen.
Er muss sich also durchaus nicht mehr vor dem Gericht fürchten; daher hat auch der Tod, wenn er ihn erdulden muss, für ihn keinen Schrecken mehr.
Beachten wir den Ausdruck «vieler». Er steht im Gegensatz zu «aller». Das Werk Christi genügt für alle; Er hat sich für alle zum Lösegeld gegeben; Er ist die Sühnung für die ganze Welt (1. Tim 2,6; 1. Joh 2,2), aber Er hat nicht die Sünde aller getragen, sonst wären ja alle errettet. Nur die Glaubenden sind Nutzniesser seines Werkes. «Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus gegen alle und auf alle, die glauben» (Röm 3,22).
Für die Glaubenden – beachten wir auch dies – ist es nicht mehr eine Frage des Todes. Sie erwarten Christus, und Er wird ihnen erscheinen – es ist sein zweites Kommen – und wie sehr ist es vom ersten Kommen verschieden! Damals ist Er in tiefster Erniedrigung erschienen, nun aber kommt Er in Herrlichkeit. Beim ersten Kommen, obwohl in sich selbst absolut ohne Sünde, wir wissen es (Heb 4,15), hatte Er es wegen uns mit der Sünde zu tun. In der Tat, Er, der Sünde nicht kannte, wurde für uns zur Sünde gemacht (2. Kor 5,21); Er war das Opfer für die Sünde (Röm 8,3); Er hat die Sünden vieler getragen; auf dem Kreuz wurde Er damit beladen. Dort aber hat Er die Sünde durch sein Opfer zunichtegemacht; dort hat Er die Reinigung von den Sünden bewirkt; Er hat sie gesühnt und sie für die Gläubigen völlig getilgt. Dieses Werk ist erfüllt; die Frage ist geordnet. Wenn Er nun zum zweiten Male erscheint, wird dies «ohne Sünde» sein, ausserhalb jeder Frage der Sünde. Er hat dann im Blick auf die Gläubigen, die Ihn erwarten, nichts mehr mit Sünde zu tun; denn ihre Sünden sind völlig getilgt. Er wird ihnen nicht zum Gericht, sondern zur Errettung erscheinen, d.h. Er wird sie von allen Folgen der Sünde befreien.
Dieser Ausdruck «zur Errettung», der sich ausschliesslich auf den Gläubigen bezieht, umfasst auch den gläubigen jüdischen Überrest, der in der kommenden Zeit Christus erwarten und Ihn zu seiner Befreiung erscheinen sehen wird. Hier ist nicht von der Entrückung der Heiligen die Rede, wie z.B. in 1. Thessalonicher 4, sondern von der Erscheinung Christi zur Befreiung derer, die Ihn erwarten – die jetzigen Gläubigen und später der gläubige jüdische Überrest. Es wird hier auch nicht erwähnt, dass diese Erscheinung zugleich seine Offenbarung vor der Welt sein wird, wo jedes Auge Ihn sehen wird (Off 1,7); denn dies wird zu ihrem Gericht sein. Hier wird nur von seiner Erscheinung zur Errettung derer gesprochen, die Ihn erwarten.
Wie wundervoll ist doch die Geschichte der Gnade, die uns durch das Opfer Christi, das die Sünde zunichtemachte, aus unserem Zustand des Verfalls schliesslich bis zur Befreiung der Heiligen führt, indem sie uns jetzt schon einen gesicherten Platz in der Gegenwart Gottes gibt, wo Christus für uns erscheint!
In der Vollendung der Zeitalter ist Christus zum ersten Mal erschienen, um die Sünde abzuschaffen und die Sünden zu tragen; zum zweiten Mal wird Er ohne Sünde erscheinen, zur völligen Befreiung derer, die Ihn erwarten; dies ist unsere Hoffnung. Wir befinden uns zwischen diesen beiden Kommen, vollkommen gereinigt, ohne ein Gewissen von Sünde, vor Gott, in dessen Gegenwart Christus jetzt für uns erscheint. Welch gesegnete Stellung, welch glückselige Erwartung!
Dieser Ausdruck «zur Errettung erscheinen» beschliesst und vervollständigt eine Serie von Stellen in unserem Brief, in dem wir den Ausdrücken «Errettung» oder «Heil» begegnen.1 Es gibt solche, «die die Errettung» (Heb 1,14), «eine so grosse Errettung» (Heb 2,3) erben sollen; «der Urheber unserer Errettung» wurde durch Leiden vollkommen gemacht (Heb 2,10); es ist ein «ewiges Heil» (Heb 5,9); die besseren Dinge sind mit der Errettung verbunden (Heb 6,9); dieses durch Christus erworbene Heil ist vollständig und begleitet uns bis zum Abschluss der christlichen Laufbahn hier auf der Erde (Heb 7,25); und dieses Ende des Laufes ist dann erreicht, wenn Er denen, die Ihn erwarten, zur Errettung erscheinen wird.
- 1In der französischen Bibelübersetzung findet sich an diesen Stellen überall das Wort «salut».